Zum Ausklang unseres Doppelheftes servieren wir,jetzt noch einige Artikel zum komplex "Exil". Unsere Erfahrung aufgrund der Startbahnschüsse oder dem 18.12.93 im Ruhrgebiet (Durchsuchungswelle wegen den RZ) war, daß Leute, die verschwinden mußten, bereits kurze Zeit später kein Thema der politischen Auseinandersetzung mehr waren. Nur in den internsten Kreisen Wurde noch über ihre Situation geredet. Ganz anders dagegen der Umgang mit den Menschen im Knast. Da gibt es einen ganz konkreten Ort, wohin mobilisiert werden kann, es kann darüber geredet werden, ob du dich mit ihnen schreibst und gegebenenf'alls auch darüber, was die Gefangenen geschrieben haben. Gefangene verlieren nicht ihre Präsenz innerhalb der linksradikalen Szene. Sei es, daß sie selbst ihre Haftbedingungen thematisieren oder andere dies tun, sei es der anstehende Prozeß, der diskutiert werden muß. Wenn auch in reduzierter Form, versucht die linksradikale Szene, den Anspruch auf Solidarität gegenüber den Gefangenen umzusetzen.

So kennen wir zwar die Parole "Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen" aber wer kennt schon den Spruch "Ihr taucht zwar weltweit in der Gegend herum, aber euer Platz wird immer hier vor Ort sein" oder "Freilassung - subito" aber nicht "Unbedingtes Rückkehrrecht - aber ein bißchen plötzlich".

Nicht daß wir diese Parolen besonders gelungen fanden, aber wir wollen klarmachen, daß es erhebliche Schwierigkeiten gibt, die Tauchenden noch in die alltägliche politische Praxis zu integrieren. Deutlich wurde dieses Mißverhältnis z.b. in Berlin. Nachdem sich am 11.4. Bernhard, Peter und Thomas wegen einem mißlungenen Anschlag auf einen Abschiebeknast verdrücken mußten, (siehe auch Teil 1), passierte in den folgenden Wochen so gut wie gar nichts (außer der Veröffentlichung mehrerer anonymer Flugis). Als am 13.6. Werner in Berlin wegen der radikal verhaftet, zog das sofort die Gründung eines Solidaritätskomitees nach sich.

Dies hat sicherlich einerseits mit den Schwierigkeiten oder dem Nichtexistieren der Kommunikation mit den Abgetauchten zu tun, aber auch damit, daß in der Vergangenheit "Exil" eher eine Seltenheit war und von beiden Seiten individuell gehandhabt wurde. Briefe von Exilierten wurden selten veröffentlicht, ihre konkrete Verfassung, ihre Auseinandersetzungen wurden nicht greifbar. Auch spielt sicherlich eine Rolle, daß die vorgefundenen Probleme in der Exilsituation nicht of'fen thematisiert werden können - um keine Rückschlüsse zu ermöglichen.

Es stehen beide Seiten, die linksradikale Solidaritätsszene vor Ort sowie die Exilierten in der Verantwortung, an diesem Umgang etwas zu ändern. Dazu bedarf es auch den Mut, auszuprobieren, ob dies nun durch of'fene Briefe, Feten und Geldsammlungen für die Getauchten, Interviews oder durch andere Methoden versucht wird - es gilt, die Exilierten, wie die Gefangenen als gleichberechtigte Faktoren in der Solidaritätsarbeit zu sehen.

Vor einigen Nummern hatten wir ein Interview mit einem Gesuchten im Kaindl-Verfahren gemacht, zudem hatten wir in einem eigenen Text versucht, grundsätzliche Probleme technischer und psychischer Natur des Abtauchens zu beschreiben. Mittlerweile konnten die Leute aus dem Kaindl-Verf'ahren bis auf Cengiz (der wegen Mordvorwurf untergetaucht bleiben muß, weil er im Prozeß durch die Aussagen der meisten Angeklagten schwer belastet wurde) nach Berlin zurückkehren. Wir veröffentlichen einen Artikel, in dem eine Frau, die im gleichen Zusammenhang abtauchen mußte, in einer Art Nachbereitung ihre Gefühle in der Exilzeit beschreibt. Daran anschließend stellt die Gruppe "Wider den Knick" ihre Überlegungen zu Exil als politische Haltung und Handlung zur Diskussion. Reaktionen darauf von nah und fern würden uns freuen.

Doch am Anfang dieses Blockes steht ein Interview, das,jemand von uns aus gegebenem Anlaß mit 2 Gesuchten im radikal-Verfahren durchführte. Radikal interviewt Radikal-Beschuldigte, dieser in der bewegte Geschichte der Zeitung einmalige Vorgang verwirrte unsere Redakteurln so sehr, daß das besprochene Konzept des Interviews leider nicht ganz eingehalten wurde und für uns wichtige Komplexe wie "Welche Vorstellung haben eigentlich Exilierte, wie die linksradikale Szene mit Ihnen umgehen sollte" oder "Was bedeutet euch die radi" völlig außen vorblieben. Die mehrtägige Odysee durch Kanaldeckel, Dachfirsten und Strickleitern hatte diese Punkte aus dem Hirn entfernt.

Das Interview teilt sich in drei Komplexe:

  1. Verdauung der Fluchtsituation
  2. Auseinandersetzung mit den AIZ
  3. Solidarität mit den Betrof'f'enen des 13.6., oder "Wie schwer es noch werden kann"

Genannt haben sich die beiden Molotov (M) und Balakov (B) - wir sind, wer hätte es gedacht, das R.

Powrigste Grüße noch an die beiden anderen die im Zusammenhang mit der radi gesucht werden, an die drei, denen die BAW wegen dem K.O.M.I.T.E.E. am Arsch hängt und Cengiz. Grüße auch an Ulf der immer noch in Beugehaft sitzt und an all diejenigen, denen dies in Zukunft noch drohen kann. Da im Zusammenhang mit den Gesuchten weitere Zeuglnnenvorladungen drohen können, haben wir auf' den letzten beiden Seiten noch eine gekürzte Fassung eines Textes aus der Interim abgedruckt, der sich mit Aussagen und ihren Auswirkungen beschäftigt.

Interview mit zwei Gesuchten