Berlin Kongreß die 1.

Nun hat er also stattgefunden, der "Autonomie Kongreß", Ostern in der schönen Hauptstadt, in der nicht weniger schönen Humbold- Uni. Sah es kurz vor Beginn noch so aus, als würden diverseste Stolpersteine das ganze noch zum Platzen bringen (so z.B. die Kündigung der Räume durch die Uni Leitung - dem wurde mit der schlichten Drohung begegnet, sich die Räume dann einfach zu nehmen), kamen 2000 - 3000 Leute zusammen, um über Vergangenheit und Zukunft der "Autonomen" zu reden und Perspektiven fürs kommende Jahrtausend zu entwickeln.

Was wurde da nicht alles geschrieben und geredet, von wegen "autonomer Kirchentag", "autonomes Familientreffen", "autonomer Jahrmarkt, auf dem TierrechtlerInnen, HomöopathInnen, MännerbeWegte, HausbesetzerInnen, WagenburgbewohnerInnen und KollektivwirtschafterInnen ihre Thesen vorstellten". Allen Defätisten-Stimmen zum Trotz, muß das Resultat wohl doch viele optimistisch gestimmt haben. So hat die Interim beispielsweise die Liebe zu eigenen Beiträgen wiederentdeckt.

In der ersten Ausgabe post Kongreß warten sie mit einer neuen Rubrik auf: dem "Wort zum Donnerstag". Durch den "vollen Kongreßerfolg" motiviert, sollen Leute zu Wort kommen, die was wichtiges zu sagen haben. Die Themen werden angekündigt von "was in der Szene an den Küchentischen diskutiert wird ... Oder auch die Gedanken zur Weltlage oder zum Wetter... " Na dann.

An vieles wurde beim Kongreß gedacht: an Kinderbetreuung, an eine Etage für Jugendliche und natürlich stand auch veganes Essen auf dem Speiseplan. Arbeitsgruppen gab es reichlich an der Zahl. Wobei es in den meisten über die Beschreibung von Widersprüchen und Unterdrükkungsverhaltnissen nicht hinaus ging. Die Analyse kam zu kurz.

Zur AG "Autonomiebegriff" lag ein Papier vor (s.Autonomie Kongreß-Reader), welches versuchte, autonomes Selbstverständnis zu definieren. Darin wird die Bereit- schaft zu Selbstbestimmung und Eigenverantwortung ebenso erwähnt, wie es beim politischen Kampf nicht um Fragen der Schuld gehe, sondern um Verursachung. Es gäbe keinen absoluten Maßstab für Recht und Unrecht. Wichtiger sei es, die eigenen Spielräume für Veränderung der Verhältnisse zu er- kennen.

Viel wurde darüber diskutiert, ob es eine objektive Wahrheit gibt. Die unterschiedlichen Ansätze konnten nicht unter einen Hut gebracht werden. Der materialistische Ansatz ging sehr schnell unter. Viel beliebter war da schon der klassisch-autonome Blickwinkel: Durch eigene Taten überzeugen unf Handlungsspielräume aufzeigen.

Patriarchat

Viele trafen sich in einer AG, in der sich über die Erfahrungen von Männergruppen ausgetauscht wurde. Die Diskussion verlief trotz großer Teilnehmerzahl konkret und kontrovers. Hier einige Thesen - grob gekürzt - aus dem Einleitungsreferat: Männer gehen wegen der Konfrontationen mit Frauen in Männergruppen; entscheidend sei aber die männlichpersönliche Motivation, sein Verhalten zu verändern. Anreiz für viele, in Männergruppen zu gehen, ist die in Aussicht stehende "Lust auf Befreiung" und ein "anderer Blick auf die Welt". Desweiteren meinten einige, daß Männer einen sogenannten "Schutzraum" brauchen, in denen sie offen reden können, da sie in der Öffentlichkeit meistens eh nur lügen und rumschocken, was ihr Verh„ltnis zu Frauen anbelangt.

Doch das Wort vom "Schutzraum" kam nicht so gut an. Zu Recht wurde festgestellt, daß der Begriff suggeriere, daß Männer von irgend etwas bedroht seien. Das dreht das Täter-Opfer-Verhältnis auf den Kopf. Auf die Frage, ob denn eine Abschottung überhaupt von Nöten sei, wurde entgegnet, daß bestimmte Diskussionen (z.B. Über sexistisches Verhalten oder frauenfeindliche Phantasien ... ) in Gegenwart von Frauen nur schwer zu führen seien, weil die Angst, abgestempelt und als Sexist in die Ecke gestellt zu werden, zu Redehemmung und zu einer "Zwangsmoral" führen würde.

Als weitere Gefahr wurde genannt, daß die ganze Welt nur noch unter dem Aspekt Patriar chatskritiek gesehen wird. Ziel von Männergruppen sollten die üblichen seien, als da u.a. sind: die Bereitschaft zur Aufkündigung von Männerkumpanei, und endlich auch mal in der Lage zu sein, etwas von der patriarchaten Macht aufzugeben. Autonome Frauen/Lesben aus Hamburg hatten im Vorfeld des Kongresses erhebliche Kritik geübt.

So ist ihre Meinung nach aus den Inhalten ersichtlich, daß es sich um einen autonomen Männerkongreß handelt. Schon während der Vorbereitung sei es nicht gelungen, feministische Inhalte durchzusetzen. Die wichtigsten Diskussionen der letzten Jahre sind am Kongreß vorbeigegangen (Kampagne gegen Sexisus in der Linken, Öffentlichmachung von Vergewaltigern,\ Kindesmißhandlern, feministische Perspektiven von Befreiung ... ).

Zitat:"Ihr solltet aufpassen, daß die Neubestimmung der undogmatischen linksradikalen Bewegung nicht ohne euch vonstatten geht ... Wenn ihr nicht willens oder fähig seit, euch mit dieser Neubestimmung auseinanderzusetzen, dann verläuft hier tatsächlich eine deutliche Trennungslinie!"

Na, und das obligatorische Redeverhalten von Männern war weiterhin präsent. Eine Migrantin beklagte, die Ignoranz gegenüber den Problemen von MigrantInnen.

Zum organismus

Nun wird schon seit längerem von unterschiedlichen politischen Konzepten darauf hingewiesen, daß die klassische, spontane (punktuelle) Politik der Autonomen schnell an die Grenzen des Machbaren stößt.

Der Ruf nach festeren Organisierungsstrukturen ist unüberhörbar.(S. Göttinger Autonome Antifa(M), FelS oder der Bundesweiten Koordinierung AA/BO). Auf Grundlage des Austausches vielerei Gruppen ist es nötig, eine gesamtgesellschaftliche Analyse zu erarbeiten. Verbindlichkelt, Bündnisfähigkeit und bundesweite Oranisierung sind einige Stichworte. KritikerInnen sagen dazu, daß das Konzept (speziell der Antifa (M) nur ein Abklatsch der alten KPD-Organisierung ist. Das zielt auf Erhalt des bürgerlichen Staates ab und bedeutet ein anbiedem an reformistische Kräfte (Bündnisfähigkeit). Die Organisierungsdebatten kämen immer in solchen Zeiten auf, in denen eine Bewegung an Kraft verliere. Eine Organisation sei aber kein Garant dafür, daß es kontinuierlich und verbindlich weitergehen würde.

Anderzeits zeige sich stets aufs Neue, daß sich "erfolgreiche" Gegenmacht schnell wieder zerstreut (z.B. die Anti-Olympiakampagne).

Für diejenigen, denen eine größere Organisationsform nicht den Weg in die Zukunft deutet, bleibt die Möglichkeit, in lokaler/regionaler Vernetzung, einen Austtausch und Koordinierung hinzukriegen. Viel Erfolg.

Was bleibt

Wie schon gesagt, gab es viele Bewertungen des Kongresses. Wenn die einen davon sprech daß die Zersplitterung der radikalen Linken nicht verhindert worden sei und das Ende der Autonomen wieder mal unmittelbar bevor steht, sehen andere gerade in der Vielseitigkeit derselben eben eine Stärke. Wenn inzwischen allerdings - da ja jedeR das Repertoire des wann-wo-wie zusagenden beherscht, Diskussionen nicht mehr geführt werden können, die jenseits des autonomen Gesichtskreis sind, besteht die Gefahr, ein erlesener Club von Verhaltens- und Verbalakkrobaten zu werden.

Die Tendenz setzt sich durch daß Leute als Nestbeschmutzer behandelt werden, die an autonomen Benimmregeln kratzen. Immer öfter ist zu beobachten, daß Leute, die nicht in der vorgefertigten Art & Weise über die gerade anerkannten Themen/Inhalte reden, durch kollektive Ächtung auf den Pfad der autonomen Tugend gebracht werden sollen. Es scheint grad so, als wären die einmal gefundenen Erklärungsmuster für alle Zeit für immer wahr und jede Kritik daran hat gefälligst zu unterbleiben. Das unreflektierte Aufsagen der "triple opression" Wahrheiten beispielsweise hilft nicht die Bohne weiter (und wird auch durch Kritik von veganer Seite nicht "richtiger") beim Verstehen der gesellschaftlichen Realitäten. Das Festhalten an Mythen oder stillschweigenden Übereinkünften sorgt bestenfalls für ein schönes und verklärt-harmonisches Wir-Gefühl, aber ob das der geeignete Weg in eine linksradikale Zukunft ist, darf ernsthaft bezweifeit werden.

(Quelle:- diverses)

Leipzig Kongreß die 2.
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