Blick auf den Bauchnabel

Zum Zeitpunkt des bundesanwaltschaf'tlichen Tobemanövers hatten wir intern den Verdauungsprozeß nach dem Ausstieg mehrerer Gruppen gerade für uns abgeschlosseri.Während die ser Phase stand das Machen im Vordergrund, nun wollten wir endlich intensiver wieder miteinander reden und eine Bilanz ziehen.Reflektion war angesagt und nicht PIanung einer neuen Ausgabe. Die BAW-Aktion drohte uns einen Strich durch die Rechnung zu machen aber nach einigen Diskussionen be schlossen wir uns, uns nicht nach der Repressionsuhr zu richten. Wer uns schon länger kennt, weiß das wir immer wieder nach Abschnitten solche Ruhephasen einlegen, dann steht der un sichtbare Teil unserer Arbeit im Vordergrund über die wir uns aus allseits bekannten Gründen eine näheren Erklärung sparen und uns ganz nach dom Motto der Geheimdienste beim jüngsten Plutoniumgeschäft halten: "Eine genauere spezifischere Aufklä rung der Öffentlichkeit könnte in der Zukunf't unsere Erfolgsaus sichten schmälern, deshalb hüllen wir uns zu diesen Punkten in Schweigen".

Aber wir haben während dieser Periode auch Ansätze von De batten geführt, bescheiden zwar aber angesichts des vorherigen Durchziehens ein zuversichtlich stimmender Neubegin der Diskussion untereinander. Wir hatten und haben of't zu wenig Zeit, urn uns so eingehend wie nötig gemeinsam den strukturel len und den inhaltlichen Aspekten der Zeitung zu widmen.So ist zum Beispiel die Diskussion urn die Entwicklung der bewaffneten und militanten Gruppen, insbesondere die der RAF und der RZ in der Zeitung während der ganzen letzten Zeit viel zu kurz gekommen, wo doch gerade die radi das Medium ist, indem sol che Auseinandersetzungen am offesten geführt werden können. Das von diesen Gruppen teilweise erklärte Scheitern ihrer Poli tik hätte für uns erst recht Anlass sein müssen, dem Thema mehr PIatz einzuräumen, zumal die Notwendigkeit der radikal von uns immer auch über eine öffentliche Vermittlung militanter und bewaf'fneter Angriffe definiert wurde.Entsprechend entstanden unter uns Diskussionen, ob und wieweit, "radi-Gruppen" selbst in der Verantwortung stehen, diese Diskussion anzuzetteln und vorantreiben müssen, wenn sie woanders offenstlich verschlafen wird

In dieser Situation platzte der 13.6. über Teile der linksradikalen Szene herein. Plötzlich waren wir in aller Munde.Demos, Knastkundgebungen, Veranstaltungen fanden statt, überall er schienen Flugblätter und Plakate, kurz nach der BAW-Aktion wurden sogar in verschiedenen Städten Bullenwachen angegrif fen (wir verbuchen das einfach mal für uns ... ) und an einigen Häuserwänden tauchte auf: "Bleibt radikal".Auch ein Film über die Geschichte der Kriminalisierung der radi wurde gedreht und mensch glaubts kaum mehr auf Kanal 4 im Kommerzsender RTL ausgestrahlt.Fein, natürlich freuen wir uns, vor allem freuen wir uns für die Gefangenen, die Abgetauchten und die Leute, gegen die jetzt wegen der "Unterstützung der kriminellen Vereinigung radikal", der AIZ und dem K.O.M.I.T.E.E. ermittelt wird.

"Das selbstbewußte Auftreten der militanten Gruppen, gekoppelt mit einem weitverbreiteten Selbstverständnis innerhalt der linksradikalen Szene darüber, über Militanz direkt das Kräfte verhältnis zu veränderen, würden wir erstmal für Geschichte be trachten. Wir denken, die Wichtigkeit der radikal über die Not wendigkeit herzuleiten, einen Raum zu schaffen für militante Diskussionen oder z.B. den Austausch von praktischen Tips kann nicht mehr zumindest zur Zeit in dem Ausmaß erfolgen wie zu Beginn der 80er", schreibt eine radikal-Gruppe in einem inter nen Diskussionspapier.

"Der 'Zerfallsprozeß' , wie ihr es nennt, von RAF un RZ kann nur für diejenigen das Scheitern militanter Politik bedeuten, die sich nicht mit deren Selbstkritik auseindandersetzen, und die vor allem bewaffnete Politik für sich selbst als etwas Aeußerliches abdeligieren", antwortet einE anderE radikal-macherIn. "Ich sehe die Aufgabe der bewußten Teile der radikalen Linken und linker MedienmacherInnen genau dain, Diskussionsprozesse um bewaffnete Politik und Militanz zu fördern, Geschichte hochzuholen, und sie beim Aufbau des Neuen zu verwerten." Eine dritte Stimme schließlich äussert sich noch folgendermaßen "Niemand redet hier vom Scheitern militanter Politik dazu gibt es überhaupt keinen Anlaß. Natürlich sind militante Methoden ein Bestandteil militanter Politik aber die Methoden sind nicht die Politik. Ich definiere Militanz in erster Linie, als Fähigkeit mit strategischem und langristigem Blich auf verschiedene Art und Weise zu intervenieren unter taktischen Gesichtpunkten und der jeweiligen Sitation angemessen. Die Reduzierung der Militanz auf die Wahl der Mittel kommt einer Entwaffnung gleich, weil sie die Abgrenzung von uns erleichtert."

Desweiteren sind wir uns auch uneinig darüber, welchen Stel lenwert eigene Texte innerhalb des Konzeptes der radikal haben. Soll sie also vornehmlich durch eigene Texte in die aktuelle linksradikale Diskussion eingreifen (wie z.B. durch den Artikel einer radikal-Gruppe zum Nationalismus in Kurdistan) oder ist es grundsätzlich unangemessen, wie andere Stimmen unter uns meinen, eigene Beiträge zum objektiven Gradmesser des Sinnes der radikal zu erheben?

Welche Bedeutung hat die Zeitung schließlich in der linksradi kalen Szene? Entspricht die Energie, die wir in diesem Projekt stecken, dem, wie Zeitung schließlich genutzt wird ? Wie wird sie ei gentlich genutzt? Und auf wen beziehen wir uns?

und über den Tellerrand hinaus