## Nachricht vom 06.07.97 weitergeleitet ## Ursprung : /REGIONAL/GOETTINGER_DRUCKSACHE ## Ersteller: GOEDRU@LINK-GOE.de Aus: göttinger Drucksache Nr. 273 vom 4.7.1997 ----------------------- Internet-Prozeß wegen radikal gelaufen (red) Angela Marquardt, die zur zweifelhaften Ehre kam, im ersten deutschen Prozeß um die Verbreitung strafbarer politischer Inhalte im Internet die Angeklagte zu sein, ist am Montag, den 30. Juni vom Berliner Amtsgericht freigesprochen worden. Marquardt hatte auf ihrer Homepage einen link zur radikal geschaltet, um eine Diskussion über "Meinungsfreiheit und Pressezensur" zu ermöglichen. Die Staatsanwaltschaft hatte gefordert, die Politikerin der PDS zu einer Geldstrafe von 3000 DM zu verurteilen. Begründung: weil in der Ausgabe 154 u.a. eine Anleitung für Anschläge auf Bahnstrecken stand, handele es sich um Billigung zur Beihile und zur Anleitung von Straftaten, wenn jemand Internet-SurferInnen den Zugang zu den auf einem niederländischen Rechner gespeicherten Texten per Mausklick ermögliche. Während die Staatsanwaltschaft selbst noch die Distanzierung Marquardts vom "Bombenbau" als Beweis wertete, daß die Politikerin den Aufruf zur Gewalt gekannt habe, folgte die Richterin der Argumentation von Marquardts Verteidiger. Da der link vor der Herausgabe der radikal 154 geschaltet worden war, sei nicht nachzuweisen, daß Marquardt die Texte gekannt habe. Auch die Meinung der Staatsanwaltschaft, InhaberInnen einer Homepage müßten in regelmäßigen Abständen die Dateien, auf die sie verweisen, auf strafbare Inhalte untersuchen, wies die Richterin zurück. Angesichts der raschen Aktualisierung bliebe offen, wie oft die Überprüfung stattzufinden habe. Marquardts Verteidiger wies darauf hin, daß das zur Zeit im Bundestag diskutierte Gesetz über kommunikationsdienste eine solche Kontrollpflicht noch nicht einmal für kommerzielle NetzanbieterInnen vorsehe. Und so ging der erste - und von vielen als Musterprozess bezeichnete - Internet zu Ende: mit einem Freispruch für Angela Marquardt. Mit gemischten Gefühlen nahm diese den Freispruch auf. Sie sei froh über den Ausgang ihres Verfahrens, allerdings habe das Gericht sie nur aufgrund einer speziellen Konstellation freigesprochen. Generell behalte sich die justiz auch weiterhin das Recht vor, bestimmte Querverweise strafrechtlich zu verfolgen. ----------------------- Impressum: Göttinger Drucksache, Briefkasten: Geismar Landstr. 19 (am Kabale), 37083 Göttingen. Kto.-Nr.: 94268, SK Göttingen, BLZ 260 500 01. Redaktionsschluß: Montag, 18.00 Uhr; für dringende Meldungen: Mittwoch, 13.00 Uhr. Texte bitte möglichst als ASCII- oder "nur Text"-Dateien auf Diskette abgeben, und legt einen Ausdruck bei! Die Redaktion behält sich vor, LeserInnenbriefe zu kürzen. Redaktionelle Artikel sind mit red gekennzeichnet, solche aus der Mailbox Link-Goe mit cl, andere mit üny. V.i.S.d.P.: E. Schneller. ----------------------- Weiterleitung ins THULE-NETZ ist untersagt!