junge Welt   Inland    30.06.1997 

Internet-Prozeß gelaufen 
Angela Marquardt freigesprochen. Links nicht immer straffrei 

Im bundesweit ersten Prozeß um Querverweise im Computer-Datennetz sprach
das Berliner Amtsgericht gestern die ehemalige Vizevorsitzende der PDS
Angela Marquardt von dem Vorwurf frei, mit einem Link auf die
Zeitschrift radikal zu Straftaten aufgerufen zu haben. Richterin Meline
Schröer folgte in ihrer Urteilsbegründung weitgehend der Argumentation
des Verteidigers Volker Ratzmann. Dessen Mandantin habe ihren
Querverweis auf die in Deutschland verbotene Zeitschrift zu einem
Zeitpunkt installiert, als die von der Staatsanwaltschaft angeführten
strafbaren Texte noch nicht veröffentlicht waren. Sie habe sich
ausschließlich gegen eine Zensur der Zeitschrift gewandt. 

Der von der Staatsanwaltschaft aufgerufene Zeuge Albert Schäfer, Beamter
des Bundeskriminalamtes, bezeugte, daß im April 1996 lediglich die
Einleitung zur radikal-Nr. 153 über Marquardts Homepage einsehbar war.
Die inkriminierten Passagen der Nr. 154, die Staatsanwalt Michael von
Hagen zur Abschreckung noch einmal vorlas: »Kleiner Leitfaden zur
Behinderung von Bahntransporten« und »Rekrutierungs/Abschiebungszüge
stoppen«, gelangten zu einem Zeitpunkt ins Netz, als die 25jährige
Politik- Studentin und Sprecherin der AG Junge GenossInnen sich für die
Partei auf einer Rundfahrt durch Westdeutschland befand. 

Der zweite Ankläger, Jürgen Heinke, ergriff nach dem Plädoyer der
Verteidigung noch einmal das Wort. Sichtlich erregt vom Verlauf der nur
zweistündigen Verhandlung sagte er: »Dies ist kein Prozeß gegen die
Partei oder die Person Angela Marquardts. Aber es erstaunt mich schon,
daß ausgerechnet die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der PDS hier
als Streiterin für die Pressefreiheit auftritt.« Die Anklage forderte
eine Geldstrafe von 3 000 Mark. 

Mit gemischten Gefühlen nahm Angela Marquardt den Freispruch auf. Sie
sei froh über den Ausgang ihres Verfahrens, äußerte sie im Anschluß.
Allerdings habe das Gericht sie nur aufgrund einer speziellen
Konstellation freigesprochen. Generell behalte sich die Justiz auch
weiterhin das Recht vor, bestimmte Querverweise strafrechtlich zu
verfolgen. 

Leif Allendorf


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Miklas Weber
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