"wir sind eine kleine, radikale Minderheit"

"Die schwierigen Bedingungen haben ... zu einem sehr abge schlossenen Leserlnnenkreis geführt".Wir bemühen ein Zitat aus der Solidaritätsbewegung, um uns auf unsere Weise in die Diskussion einzubringen.Zweifellos hatte sich die BAW mit je dem Angriff auf die radikal zum Ziel gesetzt, uns aus der Oef fentlichkeit zu entfernen und zumindest der erste grobe Schlag gegen die illegale radikal 1986 war ein Schritt in diese Richtung. Es hat Jahre gedauert, bis wir wieder eine Struktur aufgebaut hatten, mit der eine ähnlich hohe Zahl an Zeitungen an die Frau und den Mann gebracht werden konnte.Aber wenn jetzt von Seiten der autonomen Szene von einem "sehr abgeschlossenen LeserInnenkreis" geredet wird, dann scheint da ein bestimmtes Bild zu existieren, das speziell mit uns verbunden wird.Wir ha ben eine Auflage, mit der unseres Wissens, (leider, leider, uns wäre es auch lieber, wenn es anders wäre) kaum eine bundes weite Zeitung aus dem linksradikalen Lager mithalten kann.Be trachten wir den Leserlnnenkreis anderer Blätter halten wir un seren jedoch für weniger abgeschlossen.

Wir legen nicht zufällig großen Wert auf die Mischung von Handlungsanweisungen, Erklärungen militanter Gruppen.Ver mittlung von Antifa-Aktionen, linksradikaler und feministischer Diskussion sowie Erarbeitung von recht theoretischen Analysen zur Entwicklung patriarchaler und kapitalistischer Verhältnisse. Durch diese Mischung werden ganz verschiedene Kreise der Linken auf Themen gestoßen, mit denen sie sich innerhalb ihrer alltäglichen Wahrnehmung schon kaum mehr Auseinanderset zen.Vielleicht führt manchen "aktivistischen Antifa" ein Artikel in der radi über die antinationalistische Debatte dazu, sich tatsächlich mehr mit "theoretischen Themen" zu beschäftigen. Oder vielleicht nimmt eine "kritische Analytikerin" der patriar chal-kapitalistischen Entwicklung über das Lesen der radikal auch mal wieder wahr, dsß immer noch Leute versuchen, dieser Entwicklung praktisch etwas entgegenzusetzen.Wir erheben nicht den Anspruch, die einzig wahre und richtige Linie zu ver treten, sondern wollen den Raum schaffen, um ganz verschie dene Bereiche der sich radikal nennenden Linken zu Wort kommen zu lassen.Das Nebeneininderstellen von OLGA, GdV und Rote Zora-Erklärungen ist mehr Konzept als zufällig.

Die Realititäten in diesem Land sind auch für die kleine Gruppe der Autonomen und Antifas äußerst verschieden. Diesen unter- schiedlichen Wahrnehmungen, in der Konsequenz unterschiedli- chen Wirklichkeiten, wollen wir in der Zeitungen auch den ent- sprechenden Platz einräumen. Gerade damit sich Menschen aus den Metropolen und vom flachen Land, Alte und Junge, "Aktivistlnnen" und "TheoretikerInnen" mit ihren verschiedenen Bedingungen in der Zeitung wiederfinden, und sich vielleicht auch wieder mal was zu sagen haben. Wir wollen also genau diese "In-Group"- Mentaliät,dieses gegeneinander Abgrenzen, wie es in der Linken typisch ist, durchbrechen. Nur so kann, ne- benbei erwähnt, eine Struktur wie die der radi funktionieren.

Wir machen Diskussionen der militanten Gruppen transparent, d.h. auch für Außenstehende nachvollziehbar.Schon diese For mulierung drückt aus, daß wir als Medium für linksradikale Po litik nicht besser sein können als die Politik selbst.Militantente An sätze können heutzutage nur noch von denen wahrgenommen werden, die sich explizit damit beschäftigen, um eine breitere Vermittlung wird sich kaum noch bemüht.Sie müssen "für Au ßenstehende transparent" gemacht werden (als positive Aus nahme seien hier die "Flammenden Herzen" erwähnt, die neben ihren Aktionen gegen Bundeswehreinrichtungen,Briefe an ange hende Soldaten geschickt und sie dazu aufgerufen haben, den Wehrdienst zu verweigern).Wie sollten wir den Rahmen für eine Debatte erweitern, die inhaltlich selbst innerhalb der Linken nur auf eine kleine Adressatengruppe ausgerichtet ist?Auf die ser Schiene die radi in Frage zu stellen, muß also konsequenter weise erstmal heißen, die Ausrichtung und Vermittlungsansprü che militanter, bzw. ganz allgemein Iinksradikaler Politik zu hinterfragen.

Trotzdem steht natürlich außer Frage, daß die radikal gesell schaftlich gesehen, wie alle linksradikalen Zeitungen, ein In Group-Medium ist.Sie hat ihre ganz spezifische Leserlnnen schaft.Das zu durchbrechen, wäre ein schöner Traum, entspricht aber leider nicht den gesellschaftlichen Verhältnissen, schließ lich ist die Auseinandersetzung um radikale, revolutionäre Ver änderung, urn Kommunismus oder Anarchismus eine Debatte, die eben nur in sehr kleinen, marginalen Segmenten der Gesell schaft stattfindet.Mit diesem Zustand müssen wir uns als radi kale Linke auf unabsehbare Zeit abfinden. Zur Zeit ein linksra dikales Blatt machen zu wollen, das sich an breitere Schichten der Geselischaft richtet, halten wir für Augenwischerei, besser gesagt für unrealistisch.In-Group-Medien entsprechen einer ge sellschaftlichen Ausdifferenzierung, mit der sich die Linke aus einandersetzen muß, d.h. zuerst muß über die Frage diskutiert werden, wer eigentlich das revolutionäre Subjekt darstellt, wo in absehbarer Zeit Sprengkraft für linksradikale Ansätze entstehen könnten und wie eine neue Utopie aussehen soll.

Trotzdem müssen wir uns mit dem, was wir bisher an Verbrei tung erreicht haben, nicht zufrieden geben.Immer noch gibt es einige Regionen in der BRD, in denen die radikal nicht an kommt, immer noch gibt es viele Menschen, die interessiert an der Zeitung sind, sie aber einfach nicht kriegen.Wenn also von einem "sehr begrenzten Leserlnnenkreis die Rede ist". dann ließe sich der durch euer aller Zutun vergrößeren.

Der Kampf um bürgerliche Freiheiten?