wann, wenn nicht jetzt, wer, wenn nicht wir!

R: Wie seht ihr die Durchsuchungswelle und die 4 Festnahmen bisher?

B: Wie sollen wir die schon sehen. Is’Scheiße...
M: ... Die Frage finde ich falsch gestellt, es sitzen nicht nur 4 Leute. Da sitzt noch der Genosse aus Bremen wegen Aussageverweigerung ...
B: ...’nen schönen Gruß nach Heimsheim- oder wie das heißt.
M: Und dann sitzt noch eine Frau wegen BTM. Bei ihr fand auch am 13.6. ‘ne Durchsuchung statt, weil sie mit in das Raster der BAW gekommen ist. Nur bei ihr fanden die Schweine anscheinend ein zu großes Rauchpiece und sie wurde gleich eingeknastet. Das sollte nicht einfach so unter den Teppich gekehrt werden.
B: Und dann bleibt auch zu hoffen, daß es bei den 6 Festnahmen bleibt, weil das Raster von der BAW ja größer angelegt ist.

R: Ja gut, nochmal von vorne: Welche Auswirkungen hat der 13.6. nach eurer Meinung auf die politische Bewegung?

M: Zum Glück konnte ich in den Nachrichten verfolgen, was sich alles am 13.6. abspielte. Erst wurde von den AIZ gespro chen, speziell in Berlin wurden die Durchsuchungen im Zusam menhang mit dem K.O.M.I.T.E.E. gebracht und dann wurde auch die RAF erwähnt...
B: ... mir fehlten die Revolutionären Zellen, die Angriffe wegen dem Castortransport, die Sprüherei gegen Shell und alles was noch folgen könnte - Hauptsache böse und terroristisch.
M: Irgendwann tauchte dann auch mal die radi auf und da wurde es dann auch konkreter, 25 Ermittlungsverfahren oder namentlich bekannte Personen seien auf der Liste der BAW. Da hab ich mich ganz schön erschrocken.
B: Der Schrecken wechselte dann langsam in die Erkenntnis, daß nach ihren Angaben schon seit Jahren Ermittlungen gegen die Leute geführt wurden, die sie der radikal zurechnen. Ähnlich war es wohl auch in Hamburg, wo sie aber erst nach dem Anschlag auf das Rechtshaus an der Uni ein Raster konstruiert haben, um an Leute ranzukommen. Wieder ein bißchen anders liegt die Sache mit dem K.O.M.I.T.E.E., wo ihnen anscheinend einige Leute durch die Lappen gegangen sind, als der Anschlag auf einen neuen Abschiebeknast in Berlin-Grünau laufen sollte.
M: Hiermit einen schönen Gruß an die Berliner, die abgetaucht sind, und auch an den gesuchten Antifa Cengiz, wegen dem Kaindl-Prozeß.

R: Nochmal zu der Frage von gerade, wie schätzt ihr diesen Schlag ein?

B: lch denke mir, daß die BAW einmal ein persönliches Interesse an der Zerschlagung der radikal hat und dies auch mit allen Mitteln versucht, durchzuziehen. Die jahrelange Observation und auch die jetzt veröffentlichte Konstruktion sprechen da ihre eigene Sprache. Die radi wird nun in der Öffentlichkeit als eine “kriminelle Vereinigung” verkauft. Dies war in den bisherigen Verfahren gegen die verschiedenen Regionalblätter und auch bei der radi nicht der Fall. Eine strafrechtliche Verfolgung lief, wie schon in den 80zigern, über die “Unterstützung von terroristischen Vereinigungen”. Selbst die TAZ hatte in dieser Zeit Probleme, weil sie mal ‘ne Anschlagserklärung veröffentlichte.

M: Aber dabei bleibt die BAW nun nicht mehr. Sie hat wohl selbst erkannt, daß “Unterstützung von so und so ... “ in der Öffentlichkeit zu viel Wirbel erzeugte. Dies ist jetzt mit dem Zusammenhang “eigenständige kriminelle Vereinigung” anders. Die bürgerliche Presse von TAZ bis Süddeutsche Zeitung haben die Kröte der BAW jedenfalls erstmal geschluckt.
B: Dies war ja auch nicht anders zu erwarten. Wenn auf einmal AIZ, K.O.M.I.T.E.E., RAF und radikal in einen konstruierten Zusammenhang auftauchen.

R: Diese Konstruktion bedeutet auch, daß nun die radi auf das Niveau einer Guerilla gesetzt wird. So wurde später auch gesagt, es wurde sich in Codes unterhalten und sich konspirativ getroffen.

M: Das finde ich auch ein wenig happig, damit wird ja Tür und Tor geöffnet, für die Kriminalisierung aller linksradikalen Zeitungen, die versuchen eine militante Debatte zugänglich zu machen. Dies wird sich auch noch ausdehnen lassen.
B: Die Repression setzt immer unterschwelliger an. Für die Beteiligten an einer Zeitung mit linksradikalen Inhalten kann es nun Knast geben, ohne, daß die BAW unbedingt feststellen muß, wer, welche nun für die Hereinnahme von Artikeln verantwortlich ist. Eine Veränderung also, wenn die BAW nicht mehr Einzelne zur Verantwortung zu ziehen braucht. Die “kriminelle Vereinigung” dient in der Form der Kriminalisierung von Zeitungsredaktionen, die sich zur Aufgabe setzen, linksradikale Öffentlichkeit zu schaffen, ohne den pseudo-neutralen-demo-kratischen Anschein der bürgerlichen Medien. Aber die BAW hat sich auch eine Hintertür offen gelassen, um jegliche Form von Organisierung zu kriminalisieren, wenn sie sich nicht an den von ihnen vorgebenen Rahmen hält. Welche lnitiative trifft sich schon immer mit der Ansage: “Hallo Bulle, wir treffen uns heute in einer Hütte und besprechen die nächste Antifa-Aktion oder bringen ein Flugi raus.”

R: Was heißt das nun für euch?

M: Das ist bisher noch nicht genau absehbar, weil es sich vor Gericht entscheiden wird, was dieser Staat nun für strafbar hält und was nicht. Die Hoffnung auf eine breite Öffentlichkeit wäre schön. Aber wir Leben in den 90zigern und da hat Öffentlichkeit nur noch Marktwert und eine liberale Öffentlichkeit gibt es nicht mehr, so wie in den 70zigern oder 80zigern. Somit ist die radikale Linke auf sich selber angewiesen. Eine Mobilisierung wird somit von uns getragen.
B: Was für mich in einer Kampagne wichtig ist, nicht aus den Augen zu verlieren, warum wir uns organisieren. Einen Hintergrund zu vermitteln, weshalb es gute Gründe gibt sich gegen dieses System zu stellen, aber auch, daß es noch was anderes gibt als diese Gesellschaftsordnung. Wieder mehr darauf zu achten, was wir wollen. In einigen Diskussionspapieren kam das auch zum Ausdruck, z.B. in dem Diskussionsvorschlag aus Berlin. Wichtig ist es, daß die Leute sehen, wie wir leben, wie wir feiern und eben das wir uns wehren. Das muß wieder sichtbar werden, raus aus der Badewanne rein in den Ozean.

R: Was kann eine politische Kampagne bewirken?

B: Da muß sich genau über die Ziele unterhalten werden. Durch die Aneinanderreihung von Widerstandsinitiativen ist die Situation entstanden, daß auf einmal wieder miteinander geredet werden muß. In den letzten Jahren war es doch eher so, daß die verschiedenen Fraktionen der radikalen Linken für sich alleine was machten. Zwar gab es bei bestimmten Mobilisierungen, 3.10. in Bremen, Rote Flora in Hamburg szeneübergreifende Schwerpunkte, dennoch ist daraus keine inhaltliche Diskussion entstanden.
M: Mit dieser Situation einen neuen Anfang wagen, wird sehr schwer. Nach meinen Informationen finden schon Streits über die Rolle der AIZ statt. Die einen sagen wohl eher: Solidarität und auf der anderen Seite werden sie als durchgeknallt beschrie ben. Dies unter einen Hut zu bekommen, wird nicht einfach.
B: lch sehe das auch als eine künstliche Form an, sich an einen Tisch zu setzen, wenn es die Repression erfordert. Leute, die seit Jahren untereinander kaum was zusammengemacht haben, sollen nun auf einmal eine gemeinsame Solidaritätskampagne zusammenstellen wie soll das gehen?

R: Aber es ist doch das Mindeste, was passieren muß,, daß sich verschiedene Städte über eine mögliche Kampagne auseinander setzen. Wo es dann gemeinsame Forderungen, gemeinsame Passagen in Flugis, Parolen, Demos und andere Aktionen gibt.

M: Dagegen hat Balakov auch nicht geredet. lch glaub’, es geht um eine realistische Herangehensweise, wie dieser Angriff gegen die Linke zusammenbeantwortet werden kann. Es geht um eine strukturelle Zusammenarbeit, auch wenn sich nur über den Stand der Dinge informiert wird. Alles was darüber hinausgeht wird sich zeigen. Einigen wird das zu wenig sein. Aber ohne eine bundesweite Vernetzung wird dieser Schlag nicht aufzufangen sein!!!

R: Wie seht ihr die Möglichkeit über die Vernetzung hinaus zu einer inhaltlichen Diskussion zu kommen?

B: Ja, die BAW hat das schon geschickt gemacht. Einmal in der Öffentlichkeit ein Terrorkonstrukt zu verkaufen und intern geht es bei dieser Gemenge-Lage wahrscheinlich auch in die Hose. Inhaltlich wird es sich über kurz oder lang herausstellen, ob es zusammen läuft. Zu den AIZ gibt es nunmal unterschiedliche Positionen, da läßt sich wahrscheinlich nichts vereinheitlichen. Daß diese Unterschiede nicht anerkannt werden, hat es schon zur Genüge gegeben. Das letzte Beispiel dafür ist der Kaindl Prozeß. Die Unterstützerlnnen teilten sich in verschiedene Fraktionen. Politisch unterschiedliche Rangehensweisen wurden nicht berücksichtigt. Es finden Grabenkämpfe über Konten, bis zur Herausgabe eines Prozeßinfos statt. Die Strategie während des Prozesses individuelle Aussagen zu machen, hat dazu geführt, daß Cengiz nun als einziger wegen Mordes noch gesucht wird.
B: Das ist genau die Schwierigkeit auch bei anderen Prozessen. Es ist klar, daß Aktionen, wie gegen Kaindl oder bei der Start bahn, keine uneingeschränkte Solidarität hatten und genau in dieser Diskussion werden dann belastende Anssagen gemacht. [2.11.87 wurden an der StartbahnWest in Frankfurt zwei Bullen nach einer Demo getötet. Bei der nachfolgende Repression ist es zu zahlreichen Aussagen gekommen, durch die viele der Szene im RheinMainGebiet stark belastet wurden. d.S.] Das ist der Punkt, um den es sich eigentlich dreht: wenn militante Aktionen gemacht werden, die nicht eingebettet sind in gesellschaftliche Prozesse und verantwortlich geplant sind, dann kommt es zu Distanzierungen.
M: In meinen Augen ist auch ein Fehler, daß nicht über die politischen Schwierigkeiten gesprochen wurde, sondern sich die Fronten sehr schnell verhärten. Wenn sich nicht mehr über den politischen Sinn der jeweiligen Aktion auseinandergesetzt wird, Der Konflikt reduziert sich dann auf die Aussage: Ja oder Nein.

R: Aber das war doch das wichtigste! In beiden Fällen wurden Aussagen gemacht und andere belastet, die dann dafür in den Bau mußten. Das gilt es doch zu verhindern. Da gibt es doch nichts dran zu rütteln: Anna und Arthur Halt’s Maul!!

B: Daß das was Molotov sagt, so ankommt, hab ich mir schon gedacht. Aber das ist genau der Fehler. Es geht nicht um Aussagen vor den Bullen oder der Justiz. Vor denen braucht mensch sich für nichts und gar nichts zu rechtfertigen, aber die Diskussion untereinander muß geführt werden. Dabei kommt mensch auch darauf, daß es nicht drin sein kann, daß Leute eingeknastet werden, die sich mit einer Aktion nicht verbunden sehen.

R: Und die anderen können dann eingeknastet werden oder was?

B: Natürlich nicht! Für uns müssen doch die Bedingungen geklärt sein, wie falsche oder von einem bestimmten Kreis propagierte Aktionen wirken. Auf den Umgang unter uns kommt es an! Leute, die bestimmte Aktionsformen ablehnen, sind ja nicht gleich Schweine. Es muß nach Wegen gesucht werden, unter diesem Druck ein verantwortliches Handeln zu entwickeln.

R: Das kann ich schon verstehen, aber der heikle Punkt bleibt ja für die Leute, denen die Bullen eine bestimmte Aktion nachweisen können. Und die sollen dann den Kopf hinhalten!?

M: Das ist doch die falsche Frage! Die Diskussion muß erstmal beginnen. Wie wollen die Betroffenen überhaupt mit den Vorwürfen umgehen? Wie sieht die Anklageschrift aus? usw. Wenn das dann geklärt ist, kann es dazu kommen, daß Leute sich den Fängen der Bullen entziehen müssen und andere den politischen Charakter einer Aktion nicht teilen und dies auch vermitteln können. Nicht vor dem Gericht, aber nach außen hin. Vor dem Gericht wird der Anwalt genügend zu sagen haben.
B: Es kann ja auch nicht darum gehen, sich von den Aktionen an der Startbahn am 2.11. zu distanzieren oder der Sache mit Kaindl. Der Kern ist doch, daß niemand dafür die politische Verantwortung übernommen hat und da heraus auch eine Unklarheit entstand. Und um diese Unklarheit umzukehren geht es in einer politischen Bewertung und wie mensch sich dann in diesen Prozeß stellt und was gemeinsam dabei laufen kann.

R: Das ist jetzt alles ein wenig idealisiert, aber vom Prinzip ist mir klar, daß es eine Berechtigung hat zu sagen, was mensch gut und richtig findet und wo man/frau steht. Es geht euch eher um die Adressaten, den Bullen hat man nichts zu sagen, aber in der Szene oder unter den Betroffenen muß es möglich sein. zu über legen, wie mit anstehenden Prozessen umzugehen ist und wie es in der Öffentlichkeit vertreten werden kann. Schließlich kann mensch nicht verlangen, daß alle eine bestimmte Aktion gut finden.
Aber wie seht ihr das bei dem konkreten Verfahren vom 13.6. wegen, AIZ, K.O.M.I.T.E.E. und radikal?

B: Die vorherigen Beispiele sind anders gelagert, um die Startbahn oder um Antifa-Aktionen gab es schon seit langem Diskussionen. Bei dem politischen Konzept der AIZ verhält es sich anders. Bei ihnen ist es so, daß sie eine Solidarität mit ihren Aktionen gar nicht groß einfordern oder politisch miteinbeziehen und in diesem Sinne sind sie auch isoliert. Was ich aus ihrem bisherigen Konzept herauslese, kann man sie eher als Kader bezeichnen, die für ihre Aktionen die Verantwortung übernehmen. Diese KaderRolle, auch wenn es für sie nicht so ist, kommt beiden jetztigen Repressionsmaßnahmen deutlich zum Ausdruck. Sie erfahren keine breite Unterstützung, sondern werden mit grober Skepsis beobachtet.
Bei dem K.O.M.I.T.E.E. liegt dies dann wieder anders. Einen Abschiebeknast sprengen zu wollen, ist für breite Teile der linken Öffentlichkeit eine richtige Konsequenz. Eine Ablehnung hieße an dem Punkt, sich vom militanten Widerstand zu verabschieden. Dieser Unterschied in der Bewertung sollte während einer politischen Kampagne zum Ausdruck kommen, um auch unterschiedliche Rangehensweisen darzustellen, an denen sich Diskussionen entzünden.
M: Zu der Analyse und Praxis der AIZ haben wir uns ja weitgehend ausgelassen und genau diese Diskussion muß vertieft werden, um wieder einen Begriff von Militanz zu bekommen und an welchen Punkten sie eine Berechtigung hat und auch auf gesellschaftliche Prozesse eingeht.

R: Wir hoffen euch, den LeserInnen, durch diese Diskussion einige Ideen gegeben zu haben. Macht’s gut und schreibt uns!!!!!

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