Who stopped the Bahn?

Im Oktober '96 gab es eine bundesweite, brillant geplante und durchgeführte Aktion gegen die DB den Auftakt für ungezählte (zumindest nicht von uns) folgende. in dieser Nacht brach ein beachtlicher Teil des Bahnverkehrs im Lande zusammen.

Das Besondere an dieser Aktion war nicht nur die erzielte Wirkung, sondern auch eine ausführlich verfaßte Erklärung (Kommuniqué), in der letztlich dazu aufgefordert wurde, " nach eigenem Rhythmus den Druck (auf die DB) so zu verstärken, daß die Herrschenden froh wären, mit einer Schließung von Gorleben davonzukommen" Auf mehreren Seiten (Die Erklärung ist in mehreren Zeitschriften, AAA, Kampf dem Atomstaat, Interim, etc. nachzulesen) wurde dargestellt, warum der Kampf um den Castor auch auf die Bahn konzentrieren sollte und was das alles mit einer befreiten Gesellschaft zu tun hat.

castor-test Die AutorInnen kritisieren darin die Begrenztheit der Anti-AKW-Bewegung. Die Forderung nach sofortiger Abschaltung aller Atomanlagen, ohne Gleichzeitig Bezug auf die gesellschaftliche Entwicklung zu nehmen wird als ungenügend bezeichnet.

"Wir behaupten (...) gerade auch nach dem Scheitern des Realsozialismus, daß ohne eine Überwindung des globalen Kapitalismus, der patriarchalen Herrschaftsverhältnisse, der Anhäufung von Reichtum und Zentralisierung von Macht und Energie in den Metropolen, ein Ende der Unterdrückung und ein Überleben der Weltbevölkerung in Würde nicht möglich ist."

für die AutorInnen ist der Kampf gegen den Castor ein Ansatzpunkt, um gegen die Atommacht und für eine ökologisch bewußtere Zukunft einzutreten. Dies sei jedoch nicht von anderen gesellschaftlichen Bereichen zu trennen, denn dies zu tun, bedeute die Option einer gesellschaftlichen Umwälzung aus den Augen zu verlieren. Wenigstens bedeutet ein Ansetzen in diesem Punkt, Kapital und herrschende Politik ein Stück zurückzudrängen, um mit den Menschen, die durch den Focus Castor / Anti-AKW zusammengekommen sind, an anderen Punkten weiterzumachen.

anti-atom-tool Das folgende Interview entstand unter konspirativen Bedingungen irgendwo in einem schlammigen Erdloch auf der nördlichen Erdhalbkugel mit einem Typ, der von sich behauptet Medium zu sein, ständig mit einer Kristallkugel jongliert und auf jede ihm gestellte Frage mit "Ich rufe Thüringen..." reagiert.

Guten Tag Medium, ihr schreibt, Aktionen finden zumeist orientiert an zeitlichen Vorgaben der Gegenseite statt. Nun hattet ihr dementsprechend einen eigenen Rhythmus vorgeschlagen. Was versprecht ihr euch davon und wie bewertet ihr das ganze im Nachhinein?

Also zunächst mal sind wir eine Gruppe, die an bundesweiten Antiatomaktionen teilnimmt und auch das Kommuniqué Autonomer Gruppen mitträgt. Nicht mehr und nicht weniger.

anti-atom-tool Den eigenen Rhythmus hatten wir deshalb vorgeschlagen, weil wir auch endlich mal auf die Großdemo und -aktionen wollten und nicht immer nächtelang auschecken und dann sabotieren wollten. Das ist nämlich ganz schön anstrengend. Nein im Ernst, die Orientierung nur auf die Castortransporttermine halten wir für nicht ausreichend, weil die Atommafia 365 Tage im Jahr ihr Unwesen treibt. Andererseits haben wir natürlich auch festgestellt, daß bei nicht wenigen von uns die Motivationslage höher ist, wenn eine Schweinerei ansteht. Das hängt sicherlich mit der verflixten Medienfixiertheit zusammen, die auch in unseren Kreisen verbreitet ist. insofern haben wir nichts gegen Aktionen einzuwenden, die während der Castortransportze passieren, nur sind alle anderen Tage ebenso gut. Darüber hinaus läuft der Bundesgrenzschutz verschärft Patrouille an diesen Tagen und erschreckt harmlose SpaziergängerInnen. Insbesondere an Stellen, wo sie denken, daß was passieren könnte. treten sie sich dann gegenseitig auf die Füße und manchmal kommt dann auch einer unter die Räder. Das ist wirklich nicht ungefährlich.

stopping the train Naja, gebracht hat es uns natürlich viel Spaß, der Bahn böse Scherereien und schließlich kostet das ganze ja auch. Dazu müssen wir sagen, daß wir von Sabotageaktionen aus dem gesamten Bundesgebiet wissen, die nie in den Medien erschienen sind. Das reicht von Wurfankern, Eingriffe an Anlagen oder Gebäuden der Bundesbahen, Firmen die im Zusammenhang mit dem Castor stehen, usw. Einerseits wird in den Polizeiberichten gelogen, was das Zeug hält und dann haben örtliche und überregionale Medien wenig Interesse außerhalb des Rhythmus der Mächtigen zu berichten. Darüber hinaus sind einige der Anti-AKW AktivistInnen doch ziemlich schreibfaul, was wir hier gerne mal bemängeln würden, denn zur politischen Aktion gehört immer auch die Vermittlung. Und wenn es nur ein vor Ort hinterlegtes Flugblatt oder eine Mitteilung an die örtliche Presse oder ein linksradikales Medium ist. Der Spruch was ich nicht weiß macht mich nicht heiß, gilt eben auch für uns.

stopping the train Insgesamt haben wir es nicht geschafft, einen eigenen Rhythmus tatsächlich durchzusetzen, womit wir ein häufigeres zeitlich koordiniertes Vorgehen gemeint haben. Dazu ist unserer Apparat auch zu träge. Also tagelanges Herumfahren mit verschiedensten Verkehrsmitteln, dauernd verkleiden und in dunklen Kneipen sitzen, ist ziemlich aufwendig. Wir haben eben keine Zentrale, sondern müssen alles immer wieder durchdiskutieren und dann streiten wir uns ja auch gerne. Umgekehrt haben wir sehr wohl den Eindruck, daß das Thema Atomkraft nicht nur weiterhin sehr präsent ist, sondern auch das die Bereitwilligkeit sich militant, ob Sabotage oder Sitzblokade, zu verhalten sehr hoch ist.

Ihr kritisiert, daß viele mögliche Schnittpunkte mit sozialen Bewegungen unter den Tisch fallen. Wie kann denn eure Praxis die Kritik aufnehmen und jenseits einer ausgefeilten Erklärung umsetzen?

anti-atom-tool Naja, das ist eine Kritik, die eher an den öffentlich agierenden Teil der Anti-AKW Bewegung gerichtet ist. Wie wir geschrieben haben, sind damit an erster Stelle die Bürgerinitiativen und die verbliebenden linken Kräfte bei den Grünen oder bei der PDS gemeint. Da wir von beiden Parteien auch in der Zukunft nicht vielerwarten - die Grünen wollen an die Macht und haben ja auch schon in Ahaus mal dafür mit ihrem Polizeipräsidenten üben dürfen, und die PDS stützt offen oder verdeckt in verschiedenen Ostbundesländern die SPD-Atompolitik - wenden wir uns hauptsächlich an die Bürgerinitiativen. Gerade im Wendland gibt's ja eine soziale Bewegung, die seit 20 Jahren gegen die Atommafia kämpft. Und diese Bewegung und ihre selbsternannten Sprecher in der BI Lüchow-Dannenberg haben die Erfahrung gemacht, das nur mit gewaltfreien Sitzblockaden auch längst in Gorleben eine WAA und das Endlager stehen würde. die wissen auch ganz genau, daß zum breiten Spektrum des Widerstandes und zur vielbeschworenen "Einheit der Vielfalt" eben auch der militante Teil des Widerstandes gehört.

Wenn wir von unseren eigenen direkten Erfahrungen mit anderen sozialen Bewegungen sprechen, könne wir nur sagen, daß es schwer ist, mit Sabotageaktionen Brücken zu schlagen. Die einzige Aktion, bei der sowas unseres Wissens passiert ist war 1997 in Berlin/Brandenburg wo anläßlich eines Naziaufmarsches Bahnlinien sabotiert wurden.

Zum Ziel eurer Aktion: In wiefern ist es das richtige Ziel? Oder anders, wären nicht die einzelnen EVU's die besser zu vermittelnden Ziele - neben bspw. politischen Institutionen.

Nun, die Ernergieversorgungsunternehmen (EVU's) sind wahrscheinlich der mächtigste Teil der Atommafia, die zusammen mit eingekauften Politikern und verschiedenen Zuliefer- und Versorgungsbetrieben das Rückgrat bilden. Insofern wären die EVU's sicher das bessere Ziel, aber hierfür reichen unsere Mittel nicht, wir würden nie über rein symbolische Aktionsformen hinauskommen. Insofern haben wir uns entschlossen, der Atommafia vor das hingehaltene Schienbein zu treten. Achillesferse haben wir das genannt. Auch wir müssen und bei Kampagnen Gedanken um die Umsetzbarkeit machen. Es ist klar, daß die Bahn ein bundesweit anzugreifender Gegner ist. Und die Castoren lassen sich zur Zeit eben nur mit der Bahn bewegen. Die EVU's sind meist auf die Großstädte oder in irre häßlichen Industriegebieten anzutreffen, was uns auf Grund unserer Verankerung in Probleme bringen würde. Anders sieht es mit den vielen in der Landschaft rumstehenden Stommasten aus. Die waren ja zur Zeit des Widerstandes gegen die WAA Wackersdorf ein beliebtes Ziel und auch in den letzten Jahren ist mal hier, mal dort ein Strommast umgefallen.

Die EVU's sind kein falsches Ziel, das wollen wir nicht sagen, aber wir denken insgesamt, daß es richtig ist, sich auf einen Gegner zu konzentrieren.

Wie erklärt ihr eure Aussage, die Bahn sei die "Archillesferse" der Atomwirtschaft?

Die Atommafia hat einige Probleme. Das Hauptproblem ist, daß es kein Entsorgungskonzept für Atommüll gibt. Am liebsten würden sie den ganzen Mist in den nächsten See kippen, oder nach Osteuropa verkaufen. Da es aber ein gewisses Regelwerk gibt, welches sie nicht ganz ignorieren können, versucht die Atommafia immer wieder dieses außer Kraft zu setzen. Indem sie für sich selber maßgeschneiderte Gesetze und Bestimmungen erlassen und hinterher Strafen bezahlen, die manchmal nichtmal die Portokasse in Verlegenheit bringt.

Eine der Erfolge der Anti-Atombewegung ist es, der Atommafia mit ihren eigenen Spielregeln Stöcke zwischen die Beine zu werfen. Ansonsten würde radioaktiver Müll heute in der gelben Tonne landen. Da es kein Entsorgungskonzept gibt, haben sie siech also den Trick ausgedacht verschiedene Zwischenlager zu erfinden zwischen denen sie den Atommüll einfach hin und herfahren. Und als Transportmittel haben sie dafür die Bahn. Die Castoren passen nicht richtig auf LKW's und für Flugzeuge und Schiffe sind sie zur Zeit nicht zugelassen. Deshalb ist die Bahn ein Engpaß für die Atommafia. Wenn es nun gelingen soll, die Bahn davon abzubringen Atommüll durch die Gegend zu fahren, dann geht das nur, indem wir sie finanziell oder vom Image her so schädigen, daß die Bahn es sich überlegen muß, was mehr Gewinn abwirft: Castor oder Nicht-Castor. Allein die Störung des Reibunglosen Transports kostet jedesmal Millionen von Deutschmark. Und das Geld, die einzige Sprache ist, die dieses System versteht, weiß jedes Schulkind. Humanitäre Werte sind diesen Profitgeiern scheißegal.

Eure Ansage, 2/3 der Bevölkerung wollen den Schiet nicht kommt etwas romantisierend rüber. Wie andernorts ausgeführt, ist "Schiet" in diesem Zusammenhang nicht Synonym für kap-pat Verhältnisse. Viele sind nur betroffen, aus Angst vor Strahlung etc. Wie kann es funktionieren, eine weitergehende Politisierung dieser Anti-Castor Bewegung hinzubekommen, ohne daß gleichzeitig die Breite und Beteiligung zurückgeht?

Das ist tatsächlich ein Problem, daß wir nicht recht in den Griff kriegen. Wir wissen zwar aus der Geschichte anderer militanter Bewegungen, daß je unnachgiebiger die Staatsmacht mit Knüppeln, Gas und Gesetzen gegen Menschen vorgeht, diese entschiedener in ihrem Widerstand werden, aber das als einzigen Mobilisierungsgrund hinzunehmen, wäre traurig. Wir befinden uns seit etwa Mitte der 80er Jahre in etwas was allgemein als roll-back bezeichnet wird. also einem Verfall allgemein menschlicher Werte der von den herrschenden kräftig angeheizt wird. Das wird täglich neu mit Rassismus, Sexismus drohender Arbeitslosigkeit Lohnkürzung und Existenzbedrohung gefördert. die meisten Menschen in diesem Land resignieren und sagen (für sich) zurecht, daß sie daran nichts ändern können, oder lassen ihre Wut an AusländerInnen oder an Frauen aus. Das Problem ist, daß es kaum eine glaubwürdige linke Alternative gibt und noch weniger welche, die sie formulieren können.

Das alles wissend, halten wir es dennoch für richtig militante Aktionen durchzuführen nicht nur weil wir denken, daß sie wie im Fall Castor effektiv sein können, sondern weil es für nicht wenige ein hoffnungsvolles Zeichen ist, daß es mehr als den rassistisch-kapitalistischen Konsens gibt. Und wenn Dur Karl Arsch auf der Straße fragst, wird er oder sie Dir sagen, daß wir den ganzen Atomquatsch nicht brauchen. Das ist tatsächlich die Meinung in einem Großteil der Bevölkerung und nicht irgendwie romantisierend. Daß vom Maulen bis zum Protest und dann zum Widerstand große Schritte notwendig sind, wissen wir auch den Schritt mußten wir auch tun. Deshalb halten wir es für wichtig zu zeigen, daß es auch in einem so perfekten Überwachungs und Polizeistaat, wie dem unseren möglich ist, Widerstand zu leisten und deshalb haben wir auch nicht wenige AnhängerInnen unter den sogenannten Gewaltfreien.

Zu der Frage der weitergehenden Politisierung: Das ist schwer sehr schwer zu beantworten. Vor 12 Jahren, als die Kämpfe in Wackersdorf eskalierten und viele ältere Menschen vor Ort den militanten Widerstand aktiv unterstützten, waren viele von uns (so haben wir es jedenfalls in den Broschüren und Erzählungen von den Alten rüberbekommen) sehr euphorisch. Das Sauersein auf die Bullen, auf Strauß und den Staat war dann aber auch doch nur eine vorübergehende Stimmung. Ähnlich soll es an der Staatbahn West Anfang der 80er Jahre und in Gorleben zugetragen haben. Wenn wir über längerfristige Politisierung reden, so meinen wir hier eine systemoppositionelle, radikale. Und das hängt doch sehr mit Deiner individuellen Lebenssituation zusammen. Gerade ältere Menschen davon zu überzeugen, daß es nicht reicht auf "die da oben" zu schimpfen, sondern: wenn sie was verändern wollen, müssen sie dafür kämpfen und bereit sein, was zu riskieren. Für diese notwendige Bewustseinsveränderung lassen sich keine allgemeinen Rezepte ausstellen. Wir können dafür nur Anstöße geben indem wir was im positiven Sinne vorleben und zwar sichtbar und nicht nur hinter der Haßmaske versteckt. Damit meinem wir, uns offen und offensiv als Autonome und Militante ihnen gegenüber zu bekennen, mit allen unseren Widersprüchen und Sorgen. Vielleicht auf die kurze Formal gebracht: Wir müssen dem durch die Medien deformierten Bild des Autonomen wieder ein menschliches Antlitz geben - wie es ein Pfarrer aus Ahaus nach seinen positiven Erfahrungen mit Autonomen in Ahaus gesagt hat: "Die Autonomen sind doch keine Raubtiere."

Im Kommunique zählt ihr die gesammelten Schweinereien auf und fordert letztenendes doch nur die Beteiligung an der Castor-Kampagne.

Stimmt. Da wir zu wenige sind, um gegen alle Schweinereien unserer geliebten Staatsmacht vorzugehen, halten wir es für sinnvoll uns auf einige wenige Punkte zu konzentrieren. Wenn wir wüssten wie wir Wurfanker gegen die Vernichtung der sozialen Absicherung einsetzten oder wie wir sie in das Bewußtsein der Massen werfen könnten, würden wir auch das machen.

Umso wichtiger scheint uns die Vermittlung unserer Aktionen zu sein, aber das scheint noch einigermaßen zu klappen. Wenn es irgendwo zu Verspätungen bei der Bahn kommt, dann denken die meisten Menschen mittlerweile an AtomkraftgegnerInnen.

Wir wissen sehr wohl, daß dieses Land Rassisten in Hakenkreuzfahnen und Nadelstreifenanzügen beherbergt und daß diese mächtiger werden, genauso wie wir wissen, daß der Deutsche Aktienindex und die Arbeitslosigkeit parallel zueinander verlaufen. In der Born-To-Shop Republik Deutschland liegt vieles im argen. Wichtig halten wir in einer solchen Zeit, wie der heutigen, wo die menschliche Würde mit so großer Selbstverständlichkeit täglich getreten wird, zumindest einige funken von Selbstbestimmung und Revolte zu entfachen, bzw. zu unterhalten. Ansonsten müssten wir ja jeden Tag unseren Fernseher voll kotzen.

Wenn es aber andere militante Initiativen gäbe, die bessere Vorschläge haben, können sie die ja in der radikal verbreiten und wir könnten uns austauschen.

Kann es sein, daß ihr den Anti-AKW Kampf ein wenig verklärt seht, denn die großartige gesellschaftliche Relevanz hat er noch nicht?

Klar ist, daß die Bahn nicht der Feind schlechthin ist und die EVU's in der Atomfrage neben den AKW-Bauern wie Siemens/ KWU die eigentlich verantwortlichen sind. Genauso klar ist aber auch, daß die in der gesamten Maschinerie, die wir bekämpfen und zerschlagen wollen , wiederum nur ein kleines Rädchen sind.

Auch ist völlig richtig, daß das Atomprogramm heute keine Schlüsseltechnologie mehr ist, über die das System in eine ernste Krise gebracht werden bzw. eventuell sogar gekippt werden kann. Wir gehen jedoch davon aus, daß die Castor-Transporte eine der ganz wenigen Möglichkeiten heutzutage sind, die Machtfrage überhaupt stellen zu können. an keinem anderen Punkt von linksradikaler Mobilisierung ist dies im Moment möglich. An vielen anderen Punkten wird aus der reinen Ohnmacht und Hilflosigkeit eher lamentiert, daß Staat und Kapital wirklich so böse sind, wie wir schon immer vermutet haben. Statt radikaler Kritik und praktischem Angriff erschöpfen sich die AktivistInnen in rein moralischer Argumentation. Wir wollen uns da nicht darüber stellen, wir sind auch ein Teil davon. Aber der Teil unserer militanten Energie, die wir gegen das Atomprogramm konzentrieren, soll auch aus diesem Dilemma herausführen. Wir glauben, daß hier eine Möglichkeit auf Sieg existiert und das ein solcher Sieg ein einem Teilbereich für alle Systemoppositionellen ein ungeheurer Ansporn wäre. Es wäre ein klares Signal, daß das System zu schlagen ist, daß sich Widerstand lohnt und alles Ohnmachtsgerede rein Konjunktur abhängig ist.

Genau diese Brisanz hat die Gegenseite auch erkannt - in keiner VS-Verlautbarung fehlt der Hinweis darauf, daß es den Autonomen um mehr geht als den Ausstieg aus dem Atomprogramm, nämlich um den ganzen Kuchen geht. Dies soll die Spaltung in "Nur-AKW-GergnerInnen" und andere Bewirken. Die diesem Spiel spielen leider auch Teile der Anti-Atom-Bewegung mit. Einer der traurigen Höhepunkte dabei war nach einem bundesweiten Aktionszyklus, als ein eigentlich ehrenwert liberaler FR-Journalist seinen Artikel über das Bekennerschreiben mit "Autonome entlasten AKW-Gegner" titelte und Herrn Ehmke im Interview etliches Denunziatorisches entlocken konnte. Selbstverständlich sind auch wir AKW GegnerInnen und funktionalisieren keine Bewegung oder versuchen sie zu vereinnahmen. Alle Argumente der Bewegung gegen diese Form der Energie und Bombenproduktion sind auch unsere und am Tag X waren auch wir ein Teil des Widerstandes auf der Straße. Aber zurück zur Motivation, warum die Bahn: Gerade die Vermassung der Aktionsform und die breite Akzeptanz in Verbindung mit einer Bewegung, die massenhaft zumindest an bestimmten Punkten auf die Straße geht, ist die Attraktivität, von der aus die Parole "Widerstand heißt Angriff" eben nicht hohl und abgedreht rüber kommt, sondern seine praktische Entsprechung hat. Wir sind offensiv, es gibt mindestens eine Ahnung von Gegenmacht und wenn es anderen Punkten autonomer Mobilisierung so aussehen würde, wie im AKW-Kampf, dann wären wir um einiges weiter im Kampf gegen dieses System.

Neben der Konzentrierung auf die Bahn als Nadelöhr der Atomindustrie, kam der Reiz für uns durch die relativ breite und akzeptierte Anwendung der Aktionsform Wurfanker, oder Hakenkralle, wie das heutzutage heißt. Direkte Aktionen gegen die EVU's wie Sabotage an Strommasten haben sich im Gegensatz zu Mitte der achtziger Jahre nicht verbreitern lassen. Das liegt sicherlich auch daran, daß es nicht gerade hopplahopp geht, einen Mast umzusägen. Diese Aktionsform ist nicht die ungefährlichste, sie dauert relativ lange. Du brauchst einige Leute, usw. Im Gegensatz dazu waren wir anfangs der Meinung, daß das mit Wurfankern alles sehr viel einfacher ist. Wenn Du herausgefunden hast, daß ein Plastikrohr keinen Strom leitet, ist die Aktion schon gar nicht mehr so angstbesetzt wie ursprünglich. Die Sache geht relativ flott und ist mit wenigen Leuten machbar und das fast überall wo Schienen sind - also ideale Voraussetzungen für kleine militante Zusammenhänge. Im Laufe der Zeit mußten wir feststellen, daß gerade die Produktion der Anker doch einige Gruppen vor schwierige Probleme stellte und dies - so schätzen wir es ein - die noch viel größere Verbreiterung der Aktionsform verhinderte. Zur möglichen Lösung dieses Problems soll es in dieser Ausgabe hoffentlich noch etwas geben.

Eine Kritik an der Konzentration auf den Castor ist jene, die die gesellschaftlichen Verhältnisse derzeit hauptsächlich über eine sich ausbreitenderassistische Struktur definieren - ergo, dies doch eigentlich wichtiger sei...

Klar, wir sind ja nicht blind. Die braune Scheiße, die aus allen Ecken quillt, wurde ja vorher verdaut und kommt von oben. Kampf gegen Rassismus und Nazis sollte eine Selbstverständlichkeit für jede/n Atomkraftgegner/in sein. Insofern begrüßen wir auch jeden Angriff auf die Logistik und Zulieferbetriebe der Rassisten. Auch zu Beginn der Anti-AKW-Bewegung gab's schon Faschisten die dabei waren. Aber die haben jedenfalls in Brokdorf, Grohnde oder Gorleben nie so recht ein Bein auf die Erde bekommen. Dazu war die Bewegung einfach politisch zu klar und eindeutig von linken und aufrechten ÖkologInnen bestimmt. Dort, wo Altnazis oder Rassisten auftraten, wurde ihnen ziemlich schnell das Maul gestopft. Mit solchen Typen wir es jede linksradikale Bewegung zu tun haben, die in einer breiteren politischen Bewegung mitmischt..

Aber wir keinen keine Kritik von antirassistischen oder autonomen Gruppen, daß wir unser Tun sein lassen sollten und statt dessen lieber Supermärkte abfackelt sollten (Grüße nach Berlin). Umgekehrt wurden unsere Vorschläge den Atommüll aus Grundremmingen in der NPD-Parteizentrale zu verklappen auch nicht aufgenommen.

Wenn Ihr in der Lage seid bundesweite Aktionen durchzuführen, müßt ihr euch doch sehr gut kennen. Wollt Ihr was dazu sagen?

Also wir sind natürlich wahnsinnig gut organisiert, wir haben Gruppen im gesamten Bundesgebiet, Ost und West, und kommunizieren regelmäßig miteinander. Dazu benutzen wir hochentwickelte Techniken wie Telefone, Briefe, tote Briefkästen in ausgehöhlten Bäumen, Treffen in schlammigen Erdlöchen aber auch so abgefahrene Sachen wie Internet, Esoterik und Magnetismus In unserer Gruppe ist zum Beispiel einer der ein saugutes Medium ist, d.h. der sitzt vor so einem Kristall und kann dann mit Leuten Kontakt aufnehmen, das reicht sogar bis Thüringen. Also wir haben da überhaupt keine Berührungsängste. Schlimm ist es nur mit der Pünktlichkeit. Da sitzen wir mitunter stundenlang in irgendwelchen finsteren Kneipen, weil irgendwer wieder zu lange auf einer Party gewesen ist, oder die Armbanduhr verloren gegangen ist. Da üben wir noch.

Im Ernst, wir sind ein Haufen dickköpfiger, starrsinniger IndividualistInnen, der sich zu einem militanten Kollektiv zusammengetan hat. Uns verbindet die Lust am zanken. Unfugtreiben und faul rumhängen. Die Frauen unterdrücken die Männer und manche kriegen Kinder. Kennengelernt haben wir uns übrigens alle in Bremen, das war.... äh gib nochmal den Joint her.

Friede den Hütten, Krieg den Palästen!

Autonome Gruppe: Die mit dem Hessischen Landboten tanzt