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Hintergrundinformationen zur PAK

Entstehung und Geschichte der PKK

Die Bildung der PKK geht auf die Zeit Anfang der 70er Jahre zurück. Beeinflusst durch weltweite revolutionäre Kämpfe und Befreiungsbewegungen gab es auch eine starke linke Bewegung in der Türkei. An der Universität Ankara bildete sich 1973/74 eine Gruppe um Abdullah Öcalan (Apo), der bis heute die Politik der PKK als ihr Vorsitzender entscheidend prägt. Diese Gruppe begann sich auf die KurdInnen, als von der Türkei kolonialisiertes Volk, zu beziehen. An diesem Punkt kam es zu einem einschneidenden Bruch mit den meisten türkischen linken Gruppen.

1975 reisten sie in verschiedene Städte Kurdistans, um AnhängerInnnen für ihre Idee zu finden und erste Aktivitäten gegen die Unterdrückung durch die Türkei zu entwickeln. Laut unserer Literaturquellen waren zu diesem Zeitpunkt so gut wie keine Frauen in dieser Gruppe organisiert. Ab 1977 begann die Auswertung dieser Arbeit und die Gründung der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkeren Kurdistan - PKK) wurde vorbereitet. Als Gründungstag gilt der 27. November 1978. Rückblickend wird die Zeit zwischen 1973 und 1978 in PKK-Schriften als die "Ideologiephase" bezeichnet, in der eine Gesellschaftsanalyse und das theoretische Fundament der Partei auf der Grundlage des wissenschaftlichen Marxismus erarbeitet wurden.

In der Folgezeit begann die PKK ihre Politik mit ersten bewaffneten Aktionen in ländlichen Gebieten türkisch-Kurdistans,mußte sich aber aufgrund der massiven Repression und später wegen des Militärputsches in der Türkei schon 1979 wieder zurückziehen. Anders als viele türkische linke Gruppierungen verlegte die PKK ihren Sitz nicht nach Europa, sondern zog sich in den Libanon zurück. Durch die räumliche Nähe sollte der Kontakt nach Kurdistan aufrecht erhalten und die baldige Rückkehr ermöglicht werden.

Schon 1981, ein Jahr nach dem Militärputsch, von dem auch die PKK durch die Verhaftung zahlreicher AktivistInnen stark betroffen war, beschloß die 1. Parteikonferenz, militärisch ausgebildete Kader nach Kurdistan zurückzuschicken und den Guerillakrieg zu beginnen. Der bewaffnete Arm der Partei, die HRK (Einheit zur Befreiung Kurdistans) wurde gebildet. Später ging daraus die ARGK (Volksbefreiungsarmee) hervor.

Am 15. August 1984 begann mit den Angriffen auf zwei Militärstationen und dem Versuch der Besetzung zweier Kleinstädte der eigentliche bewaffnete Kampf. Nach anfänglichen Rückschlägen gelang es den PKK-KämpferInnen, die Angriffe in der Zeit zwischen 1987-1990 zu intensivieren.

Am 21. März 1985 wurde die ERNK (Nationale Befreiungsfront Kurdistans) gegründet. Ihre Aufgabe ist ausschließlich die Verbreitung der Ziele der PKK und deren Verankerung in der kurdischen Bevölkerung. Soweit wir das beurteilen können, findet ihre Politik in großem Maße Unterstützung und Zulauf. Die ERNK ist auch in vielen europäischen Ländern aktiv, wo sie sich um die Politisierung emigrierter KurdInnen bemüht.

In vielen kurdischen Dörfern und Städten kam es mit fortschreitender Eskalation der bewaffneten Auseinandersetzungen zu Volksaufständen, den sogenannten Serhildan, gegen das türkische Militär. Trotz fortgesetzter Repression gegen die PKK und gegen breite Teile der kurdischen Bevölkerung, trotz Vertreibungen und Massenmord, ist die türkische Regierung bis heute nicht in der Lage, das "Kurdenproblem" zu lösen. Zwei 1993 und 1995 von der PKK einseitig verkündete Waffenruhen schlug die türkische Regierung aus.

Die Informationen zu den nun folgenden Absätzen (Struktur, Mitgliedschaft und politische Ziele) stammen ausschließlich aus dem PKK Parteiprogramm. Sie sind schriftlich formulierte Absichten und Statuten. Wir haben nicht die Möglichkeiten, deren praktische Umsetzung innerhalb der Partei zu beurteilen.

Struktur und Aufbau

"Die organisatorische Arbeitsweise in der Partei basiert auf den Prinzipien des demokratischen Zentralismus" (Programm 1995, S.105f) - so die PKK in ihrem Statut über sich selbst.

Tatsächlich gibt sie sich einen demokratischen Aufbau, nach dem sich die verschiedenen Entscheidungsgremien durch regelmäßige Versammlungen und Wahlen kontrollieren. Der Parteikongreß als höchstes Entscheidungsgremium tritt mindestens alle vier Jahre zusammen und entwirft die Ausrichtung der PKK-Politik. Durch Wahlen bestimmt er alle wichtigen Parteigremien und er wählt mit zwei-Drittel-Mehrheit den Vorsitzenden (Abdullah Öcalan), der als eine Art Führungsinstitution die Partei repräsentiert. Zwischen zwei Kongressen bestimmen und überwachen der Vorstand, verschiedene Vorstandsgremien und ein Zentralkomitee die konkreten politischen Schritte.

Dieser Aufbau findet seine untergeordneten Entsprechungen auf mehreren regionalen und lokalen Ebenen. Die dort befindlichen Gremien sind verpflichtet, regelmäßig Berichte über ihre Arbeit, die Situation vor Ort, sowie Vorschläge und Kritiken an die übergeordneten Gremien weiterzuleiten. Außerdem wählen sie Delegierte für das höchste Entscheidungsgremium, den Parteikongreß, worüber sie an der Wahl der wesentlichen Gremien, die die Ausrichtung der Politik der PKK bestimmen, beteiligt sind. Umgekehrt sind alle verpflichtet, Anweisungen von übergeordneten Instanzen zu befolgen und an untergeordnete Gremien weiterzuleiten.

Mitgliedschaft

In die PKK kann man/frau nicht einfach eintreten. Wer Parteimitglied werden will, kann dies nur auf Vorschlag zweier Mitglieder und nach erfolgreicher "Mitgliedskandidatur", einer quasi sechsmonatigen Probezeit. Danach entscheidet ein Parteikomitee mit Zustimmung eines der höchsten Gremien, dem Zentralkomitee, über die Aufnahme.

Mitglieder sind verpflichtet, ihr Leben völlig der PKK zu widmen, jede Anweisung auszuführen und sich für die Ziele der Partei "mit unendlicher Opferbereitschaft, Enthusiasmus und Entschlossenheit einzusetzen". (Programm, S.89)

Wer sich nicht für die Ziele der Partei einsetzt, oder gegen Anordnungen oder die Parteidisziplin verstößt, der/dem kann die Mitgliedschaft entzogen werden. Die Entscheidung darüber liegt beim Disziplinarausschuß derjenigen Ebene, auf der das jeweilige Mitglied arbeitet. Dort werden parteischädigendes Verhalten oder disziplinarische Verstöße geprüft. Es kann zu einer öffentlichen Verhandlung kommen, in der der Ausschuß alle Beteiligten eines Vorfalls anhört und nach einer gemeinsamen Diskussion Konsequenzen anordnet. Diese können vom Entzug bestimmter Aufgaben bis zum Ausschluß aus der Partei reichen.

Ehemalige Mitglieder beschuldigten die PKK immer wieder, abtrünnige Parteikader mit dem Vorwurf des Verrats getötet zu haben. Das Programm sagt dazu nichts. Angesichts der Tatsache, daß sich die PKK im Krieg befindet, gehen wir davon aus, daß das stimmt.

Grundausbildung:

Wer zur Guerilla geht, sollte im Idealfall, ob Mann oder Frau, eine 3-monatige Grundausbildung in der Mahsum-Korkmaz-Akademie durchlaufen, die ihren Sitz bis 1993 im libanesischen Bekaatal hatte. Zwei Monate sind der politischen Schulung gewidmet, der Rest ist militärische Ausbildung.

Ca. 300 Personen können dort auf einmal unterrichtet werden. Sie werden auf sogenannte mangas (Einheiten) zu je 12-15 Personen aufgeteilt und wählen aus ihrer Mitte eineN KomandantIn. Diese Form der Organisierung in mangas bleibt auch nach der Ausbildung erhalten.

Die anfallenden Hausarbeiten werden in der Akademie von Männern und Frauen gemeinsam verrichtet.

Themen der politischen Ausbildung sind eine Vielzahl von sozialistischen Klassikern, aber auch das Erlernen der kurdischen Sprache und Kultur ebenso wie die Geschichte des Mittleren Ostens und Europas.

Politische Ziele

Die PKK versteht sich als die Organisation, die den kurdischen Befreiungskampf in Türkei-Kurdistan anführt. Ihre Politik bezieht sie ausdrücklich nur auf diesen Teil Kurdistans, auch wenn sie die vom Irak oder Iran besetzten Teile als militärische Standorte und Rückzugsgebiete nutzt.

Das Verhältnis zwischen der Türkei und Kurdistan betrachtet sie als (binnen-) kolonialistisch. Darin folgt sie der marxistischen Analyse, nach der sie die Besetzung und wirtschaftliche Ausbeutung des bis vor kurzem noch durchgehend feudalistisch strukturierten Kurdistan als imperialistisch begreift.

Ziel der PKK ist eine sozialistische Revolution, ihre Utopie der Aufbau einer klassenlosen Gesellschaft. Die Revolution soll einerseits die nationale Unabhängigkeit von der Türkei, andererseits die Voraussetzungen für eine Demokratisierung der kurdischen Gesellschaft schaffen. "Der nationale Widerspruch stellt den Hauptwiderspruch dar", ist in dem PKK-Programm zu lesen, denn wenn diese Frage nicht gelöst wird, "besteht keine Möglichkeit, die anderen gesellschaftlichen Widersprüche für sich allein zu lösen". (Programm, S.71)

Ein kurdischer Staat?

Welche Form die nationale Unabhängigkeit annehmen soll, darüber bestehen unklare Aussagen. Im Programm wird nirgends ausdrücklich die Gründung eines kurdischen Nationalstaates gefordert. Doch gleichzeitig richtet die PKK in Gebieten, in denen sie präsent ist, mehr und mehr staatliche Instrumentarien ein und verdrängt die Regeln und Institutionen des türkischen Staates.

" (...) So beginnt die PKK sich mehr und mehr wie ein Staat zu verhalten. Eigene Fahnen und Zeremonien haben auch andere Widerstandsbewegungen, aber welche Befreiungsmiliz hat je für ihr Gebiet Visa verlangt und Stempel in die Pässe gedrückt? Unter den in Europa exilierten Kurden hat die PKK Wahlen zu einem kurdischen Nationalparlament durchgeführt.

In Kurdistan erlässt die PKK geradezu Gesetze. Alkohol und Glücksspiel wurden verboten, ebenso der Empfang des staatlichen Fernsehens, die Antennen mußten abgebaut werden. Klagen sollen nicht mehr vor türkischen Gerichten, sondern vor der Guerilla verhandelt werden. Der Dienst in der türkischen Armee und das Zahlen von Steuern an den türkischen Staat ist untersagt, Parteibüros wurden geschlossen, die Zeitungen der regimetreuen Presse dürfen nicht mehr verteilt werden, Journalisten wurden ausgewiesen, die internationale Presse braucht eine Erlaubnis vergleichbar der Akkreditierung bei einem richtigen Staat. Durchgesetzt werden die Verbote notfalls mit Gewalt. Wie weit sie befolgt werden und was sie an Konflikten auslösen, laßt sich nur schwer beurteilen. (...)

Ein wichtiges Beispiel für die Bekämpfung eines staatlichen Dienstleistungssystems sind die Schulen. Fast 5.000 Schulen wurden in Kurdistan geschlossen. In der Zeitschrift 'Berxwedan' wird das so resümiert: Die Einrichtungen der kolonialistischen Assimilation wurden geschlossen.

Der Aufbau des kurdischen Staates geschieht nicht in befreiten Gebieten, in denen die Staatsmacht gar nicht mehr präsent ist, sondern quasi unter den Augen des verblüfften türkischen Staates. (...)In Ankara denkt man mittlerweile über drakonische Strafen nach, selbst für das Abmontieren einer Antenne (...)."[1]

Im PKK-Programm werden viele Ziele benannt, die ohne die Gründung eines kurdischen Nationalstaates undenkbar sind. So z.B. die Abschaffung aller militärischer Basen ausländischer Mächte, die Durchführung einer Bodenreform nach der Auflösung der letzten Reste feudalistischer Strukturen, die Schaffung unabhängiger ökonomischer Strukturen, und die Vergesellschaftung der zentralen Industrien. Unklar bleibt jedoch die angestrebte politische Institutionalisierung. So wird an keiner Stelle festgelegt, ob z.B. eine parlamentarische Demokratie mit verschiedenen Parteien eingerichtet werden soll.

Als soziale Ziele werden der Schutz nationaler und religiöser Minderheiten, die Schaffung von kulturellen Freiheiten und Bildungsmöglichkeiten sowie die Gleichberechtigung von Frauen genannt. Ihrer Stellung und Entwicklungsmöglichkeiten in der Gesellschaft wird große Aufmerksamkeit geschenkt.

Die PKK zum Thema Frauenbefreiung

"In der heutigen Welt verkörpern die Frauen eine der stärksten gesellschaftlichen revolutionären dynamischen Kräfte. (...) Wenn die Unterdrückung und Ausbeutung der Frau aufgehoben und sie befreit ist, dann wird dies im wahren Sinn die Entwicklung von gesellschaftlicher Gleichheit und Freiheit sichern".(Programm, S.32f)

"Ihr sollt wissen, daß die Revolution Kurdistans eine Revolution der Frau ist. Im Wesen der Befreiung des kurdischen Volkes liegt auch die Befreiung der Frau."[2]

Die PKK hat die Befreiung der kurdischen Frauen als untrennbaren Bestandteil, als "Revolution in der Revolution", mit in ihr Programm aufgenommen. Sie analysiert die Situation von Frauen in den traditionellen kurdischen Strukturen als doppelt unterdrückt: Einerseits als Kurdinnen von der imperialistischen Ausbeutung durch den türkischen Staat, andererseits als Frauen durch die patriarchalen Sozialstrukturen bzw. durch den Sexismus der Männer.

Auf zwei Ebenen will die PKK die Voraussetzungen dafür schaffen, damit diese Bedingungen sich ändern können: Zum einen sollen die patriarchalen Strukturen der kurdischen Gesellschaft beseitigt werden. Zum anderen sind Frauen und Männer dazu aufgefordert, ihre Auffassungen von der Gesellschaft und ihre Persönlichkeit dahingehend zu verändern, daß eine Gleichstellung im täglichen Zusammenleben und in allen gesellschaftlichen Bereichen auch tatsächlich möglich wird. Quellen:

[1] "... alles ändert sich die ganze Zeit. Soziale Bewegung(en) im Nahen Osten", iz3w, Herausgeber Jörg Später, $.109/110 in dem Artikel von Jan Keetman und Udo Wolter unter der Überschrift: 'Befreiung im Staat'? Die soziale Programmatik der PKK.'

[2] PKK-Vorsitzender Öcalan in seinem Grußwort an die erste internationale kurdische Frauenkonferenz am 8.3.94; in: Broschüre der TAJK,(S.11)

card of kurdistan

Aktuelle Situation der PKK

Eine realistische Einschätzung zur militärischen Stärke bzw. Schwäche der PKK zu bekommen, ist total schwierig. Die Berichterstattung in der Tagespresse widmet sich kaum diesem Thema. Das Einzige, was ständig herausgegeben wird, sind hohe Verlustmeldungen über getötete PKK-Kämpferinnen. Diese Zahlen entsprechen den Stellungnahmen der türkischen Militärs und sind allein deshalb höchst zweifelhaft. Ansonsten gibt es Infos meist nur zu irgendwelchen Stellungnahmen Apos sowie zu Äußerungen der türkische Regierung. Zuletzt wurde aufgrund des Austritts von Semdin Sakki, einem ehemals hohen Kader innerhalb der PKK, über Streitigkeiten innerhalb der Führung berichtet.

Die Artikel der Tagespresse dementsprechend zu interpretieren, daß zwischen aller Taktiererei eine vernünftige Einschätzung der Lage herauskommt, fällt schwer. Ansonsten gibt es noch die diversen Kurdistan-Infos, wie z.B. den Kurdistanrundbrief, die aber nicht in jedem Infoladen und oft auch relativ veraltet, zu erhalten sind. Von daher können wir, was die aktuelle Situation angeht, nur zu einigen wenigen Dingen etwas sagen.

"Die Massenvertreibung der Zivilbevölkerung aus den kurdischen Dörfern hat das militärische Kräfteverhältnis zugunsten des türkischen Militärs verschoben. Durch die Politik der verbrannten Erde, verlor die Guerilla einen Großteil ihrer logistischen Unterstützung. Den mehrfach von der PKK einseitig erklärten Waffenstillstand hat der Staat ignoriert. (...)

Die Guerilla wurde militärisch geschwächt, aber ihr politischer Einfluß ist ungebrochen." So lautet die aktuelle Einschätzung von Ömer Erzeren in seinem Aufsatz "Die Bauern wollen nicht verstehen".[1]

Am 14.Mai 1997 begann eine großangelegte Offensive der türkischen Armee gegen die PKK.

Unter Beteiligung von 5O.OOO Soldaten wurden die Lager der PKK im Norden des Iraks angegriffen. Solche Offensiven sind für die PKK nichts Neues und finden in regelmäßigen Abständen statt. Die türkische Armee überschreitet dabei die eigenen Landesgrenzen und besetzt Gebiete des Iraks. Neu ist unseres Erachtens die lange Dauer der Besetzung. Im Kurdistan Rundbrief 22/97 wird von einer ständigen Intensivierung der Belagerung gesprochen. Uher 80.000 Soldaten seien mittlerweile im Einsatz.

Offiziell begründet die Türkei ihre Besetzung mit der Behauptung, sie schütze die Militärkräfte Barzanis (Führer der KDP).

Ziel der Türkei ist es, eine 20 km breite Pufferzone einzurichten, in der sie Dorf-Stadt Projekte unter der Leitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Ecevit einrichten will.[2]

Internationale Militärbeobachter sprechen von der stillschweigenden Errichtung einer dauerhaft militärisch besetzten "Sicherheitszone" auf irakischem Territorium, analog der von Israel im Libanon eingerichteten Zone.

Diese Besetzungen sind möglich, weil im Norden des Irak praktisch ein politisches Vakuum besteht. Nach Ende des Golfkrieges gab es massive Angriffe seitens irakischer Truppen auf die im Norden lebende kurdische Bevölkerung. Die alliierten Siegermächte richteten zum vermeintlichen Schutz der Kurdlnnen eine Zone ein, die den irakischen Machthabern politisch wie militärisch entzogen sein sollte. Hier machten jetzt verschiedene kurdische Organisationen, ihren Einfluß geltend. Sie teilten die "Schutzzone" in geographische Einflußgebiete untereinander auf. Die bedeutendsten dieser politischen Kräfte sind die KDP (Demokratische Partei Kurdistan) unter der Leitung Barzanis und die PUK (Patriotische Union Kurdistans), deren Vorsitzender Talabani ist, und die Abspaltung von der KDP entstanden ist.

Immer wieder kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien, 1992 griffen beide gemeinsam Stellungen der PKK an (im sogenannten Südkrieg). "Die KDP gilt heute eher als konservative Kraft. Ihr Ziel einer autonomen kurdischen Republik innerhalb der Grenzen des Irak liegt durchaus im Interesse westlicher Regierungen, auch Ankaras. (...) Bei den verschiedenen Invasionen der türkischen Armee nach Südkurdistan in den letzten Jahren wurden die türkischen Truppen meist von ortskundigen Peschmerga der KDP begleitet.";die PUK unterhält heute "engere Beziehungen zur Arbeiterpartei Kurdistans, PKK und beteiligt sich an den Vorbereitungen für einen kurdischen Nationalkongreß."[3]

In dieser Situation hat die Türkei leichtes Spiel. Ihr gelang es zudem verschiedentlich, die KDP als einen politische und militärischen Machtfaktor gegen die PKK zu benutzen. Als Gegenleistung unterstützte sie die KDP gegen deren politischen Kontrahenten, die PUK.

Von Seiten der PUK wird der türkischen Armee vorgeworfen international geächtete Napalmbomben in verschiedenen von der PUK kontrollierten Regionen (Role, Zeni, Mawelian, Kospi Chawa und Nordwest-Ebril) eingesetzt zu haben und außerdem boat and people ständig die UN Schutzzonen zu bombardieren. Diese Information fand sich auch in einem Flugblatt von Pro Asyl zur Situation im Irak, so daß wir sie als gesichert bewerten.

Die PKK erklärt, daß ein großer Teil der Bevölkerung Südkurdistans (Irak) in diesem Krieg auf Seiten der PKK teilnimmt [4]. Jugendliche hätten eine Front gebildet, eine eigene Armee, die in der Lage sei, langfristig zu kämpfen. Diese Jugendlichen gehörten nicht den traditionellen Bündniskräften an, sondern hätten sich mit Unterstützung der PKK organisiert.

Wie geschwächt oder gestärkt die einzelnen Positionen wirklich sind, vermögen wir nicht zu beurteilen. Jedoch denken wir, daß eine solch langanhaltende Besetzung irakischer Gebiete ziemlich kräftezehrend für die PKK ist.

Seit einigen Monaten gibt es von Apo ein erneutes Friedensangehot an die türkische Regierung, welches in der deutschen Tagespresse nicht genauer konkretisiert wird und bislang nur zu Artikeln mit Überschriften wie: "Gibt die PKK auf?" veranlaßte. Das letzte Friedensangebot vom April 98 verband Öcalan gleichzeitig mit der Drohung, die Kämpfe durch Guerillaeinsätze in der ganzen Türkei auszuweiten und dabei besonders Angriffe in den Tourismusgebieten zu starten.

Internationales Verhalten zu türkischen Militäreinsätzen

International wird sich zur Belagerung Südkurdistans und den militärischen Einsätzen der Türkei unserer Meinung nach gar nicht verhalten. Wenn überhaupt, wird die Situation kurdischer Flüchtlinge thematisiert. Dies geschieht allerdings auch nur in Flugblättern von Organisationen wie z.B. Pro Asyl..

Wie beschissen es um die Lage von kurdischen Flüchtlingen steht, die nach Europa einreisen wollen, ist am jüngsten Beispiel irakischer KurdInnen zu verfolgen. Etwa 1200 Kurdlnnen gelang im Dezember 97/Januar 98 unter lebensgefährlichen Bedingungen die Einreise nach Italien, wo sie nach einigem hin und her, als Flüchtlinge anerkannt wurden. Selbst in der linken Presse (z.B. TAZ) wurde nicht einmal erwähnt, was ihre Beweggründe zur Flucht waren, ob die KurdInnen z.B. aus den umkämpften Gebieten flohen, in denen Napalmbomben abgeworfen wurden. Es ist also nur von kurdischen Flüchtlingen die Rede, aber kein Wort vom Krieg!!!

Schnell beschworen deutsche Politiker propagandistisch eine 'Massenflucht' aus Kurdistan herauf. Sie schürten so erneut die öffentliche Hetze gegen Asylsuchende. Innenminister Kanther jammerte, daß die in Italien anerkannten Flüchtlinge, die Grenze nach Deutschland durchbrechen könnten. Damit keineR von ihnen die Einreise nach Deutschland schafft, mußte sofort der BGS an den deutschen Grenzen verstärkt werden. Parallel dazu wurde die italienische Regierung für ihre Anerkennung der Kurdlnnen als Flüchtlinge politisch massiv angegriffen. Auch Österreich wurde mit Erfolg auf EU-Linie eingeschworen und kontrolliert seine Grenzen verstärkt. Mit keinem Wort werden die Massaker in Kurdistan erwähnt. Was zählt ist die Abschottung Europas und wenn das schon nicht klappt, dann wenigstens die Deutschlands.

Gleichzeitig höhnt die türkische Regierung, daß durch die Anerkennung kurdischer Menschen als Flüchtlinge weitere Menschen zur Flucht ermutigt werden. Die Kriegssituation wird verleugnet, die vor Vertreibung und Völkermord Fliehenden werden zynisch von allen Seiten zu "Wirtschaftsflüchtlingen" umgelogen. Daraus ergibt sich für uns, daß es nach wie vor wichtig ist Gegenpropaganda zu betreiben und den Krieg in Kurdistan zu thematisieren! Wenn ihr mehr Informationen zur Situation im Irak haben wollt, dann lest den nachfolgenden Artikel..

Die Deutschlandpolitik der PKK

Anfang bis Mitte der 90er Jahre gab es in Deutschland viele Aktionen militanter KurdInnen, angefangen von Autobahnblockaden, die in Angriffen auf türkische Einrichtungen und Geschäfte, Demos, Hungerstreiks und die öffentliche Selbstverbrennung zweier kurdischer Frauen gipfelten. (Letzteres betrachten wir allerdings als eine ziemlich schreckliche Aktionsform.)

Der deutsche Staat reagierte mit massiver Repression, die im Verbot fast aller kurdischer Vereine und Organisationen (dem sogenannten PKK-Verbot), gipfelte.

In deutschen Knästen gab es über 200 kurdische politische Gefangene. Die Bullen knüppelten in jede Kurdendemo rein, in Hannover wurde ein kurdischer Jugendlicher beim Kleben von ERNK Plakaten erschossen, es gab zahlreiche Razzien gegen kurdische Einrichtungen und Vereine. Mittlerweile sind die Aktionen fast vollständig zurückgegangen.

Es ist davon auszugehen, daß die militanten Aktionen aus den diversen taktischen Gründen aufgegeben wurden. Ein Grund ist sicherlich, die Situation für die in der BRD organisierten KurdInnen zu entschärfen. Die Eskalation in Deutschland voranzutreiben, ist für die PKK vermutlich wenig sinnvoll, da sie letztendlich auf Regierungen angewiesen ist, die bereit sind, sich für eine politische Lösung mit der türkischen Regierung einzusetzen. Vielleicht hätte es eine andere politische Entscheidung bezüglich militanter Aktionen in der BRD gegeben, wenn die Linke hier insgesamt stärker wäre und sich vehement gegen die Unterstützung des türkischen Militärs durch deutsche Waffenlieferungen und Militärausbilder gewandt hätte. Dies war aber nie der Fall. hungerstrikeWir haben die Einschätzung, daß die PKK mittlerweile mehr Interesse daran hat, hier unbehelligt von deutschen Repressionsorganen die Politisierung der in Deutschland lebenden Kurdlnnen voranzutreiben. Wer /welche sich militant am Kampf der PKK beteiligen will, geht nach Kurdistan.

Was trotz dieser verständlichen Veränderung der BRD-Politik sehr schräg an diesem Umschwung rüberkam, ist ein Oberkommandant, der sich in der Presse gleich von allen militanten Aktionen durch KurdInnen, die in Deutschland stattfanden, (hoffentlich distanzierte und behauptete, die entsprechenden KurdInnen gäben durch ihr militantes Verhalten den Rechten Wasser auf die Mühlen und würden die KurdInnen insgesamt diskreditieren. Öcalan führte Verhandlungen mit Lummer (Rechtsaußen der CDU, Fachmann für Innere Sicherheit und ehemaliger Berliner Innensenator) und gab sich bezüglich seiner politischen Ziele moderat.

Daß seine Taktik Änderungen im Verhältnis der deutschen Regierung zur PKK nach sich zieht, zeigt die jüngste Einschätzung des Bundesanwalts Kurt Nehm. Dieser nahm angesichts des fast vollständigen Rückgangs militanter PKK-Aktionen in Deutschland, 291 Brandstiftungen im Jahr 1993, im Jahr 1997, die Bewertung der PKK als terroristische Vereinigung zurück [5].

Wer heute als angebliche PKK -'Führung in der BRD festgenommen wird, hat lediglich noch mit einem Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu rechnen. Dadurch sinkt die bei einer Verurteilung mögliche Höchststrafe von 10 auf 5 Jahre. Das hört sich erstmal so an, als hätte die neue Strategie ein wenig Erfolg gehabt, doch der Schein trügt:

Die Neubewertung durch die Generalbundesanwaltschaft nützt den KurdInnen, die als vermeintliche Anführerlnnen der Aktionswelle von 93 bis 96 bezichtigt werden, wenig bis gar nichts. Für sie gilt nach wie vor, daß sie die europäische Führung der damals terroristischen PKK sein sollen. Sollte es wieder vermehrt zu Anschlägen kommen, dann wird die Neubewertung 'kriminell statt terroristisch' bestimmt schnell wieder zurückgenommen. Im Grunde ist die ganze Geschichte seitens der BRD also eher ein Witz, als ein Zugeständnis an die von Apo versicherte Ruhe im Karton. Auch das Organisierungsverbot für die PKK ist nach wie vor nicht aufgehoben.