Frauen in der PKK

Lang lang ist's her, die letzte Ausgabe der radikal.

Dort veröffentlichten wir eine Kritik zur 'Lürsenerklärung' vom 24.7.95 der Roten Zora. Die Zoras hatten in ihrer Erklärung die Organisierung kurdischer Frauen in der PKK nicht besonders positiv bewertet, demgegenüber aber die kurdischen Traditionsstrukturen durchaus vorteilhaft für Frauen gesehen. Wir setzten dieser Position einiges entgegen.

Weder auf unsere, noch auf die Kritiken anderer Frauenzusammenhänge, hat die Rote Zora jemals geantwortet.

Unsere Kritik beinhaltete hauptsächlich die Auseinandersetzung mit den traditionellen, dörflichen Strukturen der KurdInnen unter besonderer Berücksichtigung der Situation der Frauen. Zur Organisierung kurdischer Frauen in der PKK haben wir damals kaum etwas geschrieben, weil wir uns aufgrund des wenigen Materials, welches uns dazu vorlag, keine realistische Aussage zutrauten. Als Frauen, die nicht in direktem Kontakt zum kurdischen Befreiungskampf stehen und die überhaupt wenig mit KurdInnen zu tun haben, fiel es uns schwer, eine Position zur Situation der Frauen in der PKK zu entwickeln. Wir verschoben die genaueren Nachforschungen auf die Zeit bis zur nächsten Nummer.

Obwohl nun mehr als zwei Jahre vergangen sind, in denen wir uns immer wieder mit der Organisierung von Frauen in der PKK beschäftigten, haben sich unsere anfänglichen Probleme mit dem Thema kaum aufgelöst. Die deutschsprachige Literaturlage dazu ist mehr als dürftig und besteht zum guten Teil aus Materialien, die wir als Pro-PKK-Propagandamaterial oder als schwärmerische, romantisierende Reiseberichte bezeichnen würden. So vermissen wir Papiere, die eine kritisch-distanzierte Betrachtung zulassen.

In deutscher Sprache erhältliche Bücher wurden meist von Leuten verfaßt, die die PKK-Strukturen bei längeren Aufenthalten in Kurdistan kennenlernten. Wir nehmen an, daß Menschen, die dort hinfahren, 150-prozentig hinter dem Kampf der PKK stehen und deshalb natürlich bei ihrer Rückkehr entsprechend begeisterte Berichte schreiben.

Spannend und authentisch sind sicherlich Stellungnahmen, Briefe und Interviews kurdischer Frauen, die in der PKK organisiert sind und über ihr Verhältnis dazu berichten. Die Auseinandersetzung mit diesem Material wird in unserem Text den größten Raum einnehmen.

In linksradikalen und feministischen Kreisen war die Politik der PKK und die Organisierung von Frauen darin schon immer heftig umstritten. Verschiedenste Zusammenhänge veröffentlichten Beiträge, in denen sie ihr Nichtverhalten zum kurdischen Befreiungskampf mit diversen politischen Differenzen (Führerkult, Nationalismus und Antisemitismus) begründeten.

Die personell eher kleinere Fraktion rief auf der Basis des eigenen Politikverständnisses zur Unterstützung auf, was hieß, Position gegen die repressive Politik der Besatzerstaaten Türkei, Irak, Iran und Syrien zu

beziehen, die Rolle der BRD anzugreifen und die Kämpfe von kurdischen Flüchtlingen zu unterstützen, und weniger, sich primär an der Rolle der PKK abzuarbeiten. Ein praktischer Ausdruck davon war der Versuch der Zoras, eine Werft, die für Rüstungstransporte in die Türkei mitverantwortlich war, zu schädigen.

Die Diskussionen, die es um das für und wider einer Unterstützung der PKK gab, sind mittlerweile wieder eingeschlafen oder mit dem Austausch der verschiedenen Positionen beendet worden. Praktische Solidarität und Aktionen aus dem linksradikalen Spektrum zum Thema Kurdistan finden außer an Newroz kaum mehr statt.

War unser Anliegen ursprünglich gewesen, einen Beitrag zur aktuellen Diskussion zu liefern, so schreiben wir ihn momentan mehr oder weniger im luftleeren Raum.

Diesen Artikel widmen wir schwerpunktmäßig der Organisierung von Frauen innerhalb der PKK. Für alle, die die Entwicklungsgeschichte der PKK, ihre Struktur und ihre selbstformulierten Ziele nicht kennen, gibt es unter der Überschrift 'Hintergrundinformationen zur PKK' einen Infoblock.

Geschichte und Entwicklung der Frauenarmee

women in pkk Auf den Beginn der Organisierung von Frauen in der PKK bzw. ihre Vorläuferorganisationen finden wir kaum Hinweise. Während Karin Leukefeld feststellt, daß Frauen von Anfang an dabei waren [1], lesen wir in "Licht am Horizont" (S.46)[2], daß 1975 der Kern der PKK aus Männern bestand. Seit Ende der 80er organisieren sich Frauen verstärkt in der PKK. Anfangs arbeiteten sie hauptsächlich in der ERNK. Dort hatten sie die Aufgabe, die Organisierung der kurdischen Bevölkerung voranzutreiben.

Als die Volksaufstände begannen, organisierten sie diese mit und faßten die daran Beteiligten in sogenannten Komitees zusammen. Die Arbeit in der ERNK ist gewissermaßen eine "typische Frauenarbeit": Sie ist sehr aufwendig und für den Erfolg der PKK unverzichtbar, bleibt jedoch, wie viele Frauenarbeit, nach außen unsichtbar. Die Verankerung der Politik der PKK in der Bevölkerung wird nicht als das Ergebnis der Arbeit von vor allem Frauen wahrgenommen. Die Risiken, die die Frauen dabei eingehen, werden im Vergleich zum Kampf in der Guerilla kaum geschätzt.

Ab 1990 begann die verstärkte Einbindung von Frauen in die Guerilla. Immer mehr schlossen sich dem bewaffneten Kampf an und wurden in die bestehenden gemischtgeschlechtlichen Einheiten integriert.

Nach aufwendigen Vorbereitungen begann 1993 der Aufbau einer Frauenarmee. Die Frauen fingen an, sich auf vielen Ebenen selbst zu organisieren und eine von Männern unabhängige Logistik aufzubauen, wozu z.B. auch fraueneigene Ausbildungsstätten gehören, die sich in den Lagern in den kurdischen Bergen befinden. Die Zahl derer, die in der Frauenarmee kämpften, belief sich 1995 auf etwa 3500 [3] (S.337), der Gesamtanteil von Frauen innerhalb der ARGK mindestens 30%.

Seit 1993 können Frauen, die der Guerilla beitreten, wählen, ab sie in der Frauenarmee oder in Einheiten mit Männern agieren wollen. Dabei können Frauen Kommandantinnen sowohl von Frauen- als auch von gemischten Einheiten werden. Wie oft es tatsächlich vorkommt, daß Frauen gemischte Einheiten kommandieren, ist uns nicht bekannt.

Hintergründe für den Eintritt von Frauen in die Guerilla

Wie kommt es dazu, daß immer mehr Frauen beschließen, eine Waffe zur Hand zu nehmen und der Guerilla beizutreten?

Gerade aus den kurdischen Dörfern erhält die PKK sowohl von Männern als auch Frauen großen Zulauf. Für Frauen, die bislang in festgefügten Dorfstrukturen nach vorgeschriebenen Rollen lebten, ist dieser Schritt ein sehr radikaler Bruch zu ihrem bisherigen Leben.

Es gibt unseres Erachtens einige äußere Voraussetzungen, die die Beteiligung eines so großen Anteils von Frauen hervorrufen. Dazu gehört, daß die türkische Regierung seit Ende der 80er Jahre die kurdische Bevölkerung in mittlerweile gesamt Nordwest- oder Türkisch-Kurdistan mit einem systematischen Terror überzieht. Willkürliche Zerstörung kurdischer Dörfer, Verschleppungen, Folter und Massenmord sind an der Tagesordnung. Mit dieser Politik will die türkische Regierung der PKK die Grundlage entziehen, sich in den kurdischen Dörfern zu bewegen und von dort Unterstützung zu bekommen.

Ganze Landstriche sind schon entvölkert, viele Menschen sind in die nächsten größeren Städte geflohen, viele gehen auch weiter weg. Die massive Gewalteinwirkung von außen bedingt, daß die bis dahin relativ stabilen feudalistischen Dorf- und Familienstrukturen aufgebrochen werden. Den Menschen wird ihre bisherige materielle und soziale Lebensgrundlage entzogen.

Diese Situation stellt neue Anforderungen auch an Frauen, die sich sonst nicht außerhalb eines sehr begrenzten Rahmens bewegt haben. Ob gewollt oder nicht, sie müssen ihr Leben verändern.

Selbstverständlich bewirkt solch ein gewaltsamer gesellschaftlicher und sozialer Umbruch nicht automatisch eine revolutionäre Organisierung der Betroffenen. Dennoch wird durch die Zerstörung ein Raum eröffnet, der so oder anders genutzt werden kann. Die derzeitige Realität in den kurdischen Dörfern läßt den Frauen nur wenige Wahlmöglichkeiten:

- Wer vertrieben wurde, muß irgendwo Zuflucht suchen. Viele KurdInnen gehen in ein benachbartes Dorf, meist zu Verwandten. Das nächste Dorf kann jederzeit das nächste Ziel der Angriffe sein.

- Nicht wenige fliehen aus den zerstörten Dörfern in die nächstgelegenen kurdischen Städte. Die Bevölkerungszahlen dieser Städte haben sich durch die Flüchtlinge zum Teil verdoppelt und verdreifacht. Es gibt nicht annähernd genügend Wohnraum. Zehntausende wohnen in Slums und organisieren ihr Überleben jeden Tag neu.

In den Städten entstehen regelmäßig Frauenvereine, in denen Kurdinnen sich legal organisieren und in alltäglichen Dingen unterstützen, sowie für ihre eigenen Rechte kämpfen.

Bei jedem dieser politischen Organisierungsversuche müssen sie mit Verhaftungen und Folter rechnen. Mit massiver Repression versucht der türkische Staat die Frauen zu zwingen, ihre Aktivitäten aufzugeben.

- Die Flucht in türkische Städte außerhalb des kurdischen Gebiets ist mit der Verleugnung der kurdischen Identität, mit Anpassung und Assimilation verbunden. Auch wenn es kein offizielles Verbot der kurdischen Sprache mehr gibt, können die KurdInnen ihre kulturellen Sitten und Gebräuche nicht ohne Diskriminierung leben. Besonders für kurdischen Frauen, die in den Dörfern aufgewachsen sind, ist es unmöglich ihre Herkunft zu leugnen. Viele sind Analphabetinnen und sprechen die türkische Sprache nicht.

Andere wollen ihre kurdische Identität nicht verheimlichen, erst recht nicht, wenn sie die Repression des türkischen Militärs erfahren haben und/oder eine enge Verbindung zum Befreiungskampf besteht. Schließlich ist aus den ländlichen Gebieten Kurdistans nahezu aus jeder Familie eine Tochter oder ein Sohn der PKK beigetreten. - Eine letzte Fluchtmöglichkeit ist die Ausreise aus der Türkei, und der Versuch, irgendwo politisches Asyl zu erhalten oder ohne rechtliche Grundlage im Ausland zu überleben. Dazu gehören sicherlich Beziehungen und/oder Geld. Aber auch wenn beides vorhanden ist, so ist das Exil nur eine Chance für wenige.

Für Frauen besteht diese Möglichkeit oftmals nur an der Seite ihres Mannes, oder wenn sie als Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern ausreisen, bzw. von ihnen nachgeholt werden.

Auf jeden Fall erfordert das Vernichten der bisherigen Lebensgrundlage durch das türkische Militär eine grundsätzlich neue Entscheidung, wie und wo das Leben weitergehen kann.

Viele Frauen entwickeln den Wunsch, den Erfahrungen von Zerstörung und Repression etwas entgegenzusetzen.

"Wir Frauen bekommen hier wenig Schulbildung. Aber in der Praxis lernen wir. Durch das, was der Staat uns antut, durch die Folter, die Morde, die Vergewaltigungen, die Demütigungen usw., lernen wir, Widerstand zu leisten.(...) " [4] (S.28)

Eine dieser Möglichkeiten, Widerstand zu leisten, ist der Beitritt zur Guerilla.

Der Weg zur PKK

women in pkk Folgendes Zitat stammt zwar von einem Mann, doch scheint es uns ebensogut auch für viele Frauen zu sprechen:

"Ich bin auch von diesem Volk einer. Die in diesem Volk die Guerilla unterstützen sind nicht wenige, sondern 80% der Menschen im Ausnahmezustandsgebiet. Das Volk hat sich guerillarisiert und die Guerilla hat sich volkisiert. Sie täuschen sich, wenn sie glauben, daß sie das Volk und die Partei auseinanderbringen können.(...)

Das Volk hat verstanden, daß im Moment eine politische Lösung nicht möglich ist und sich der Partei angeschlossen. Das ist die eigentliche Sache. (...)

Sie sagen, sie kennen alle Namen. Das kann nicht sein. Wir sind Hunderttausende. Wenn sie uns alle einsperren, gehen noch mehr zur Guerilla. Sie wollen die Guerilla wegsäubern. Das haben sie schon oft gesagt. (.;.) Das haben die Kinder schon verstanden, daß man die Guerilla nicht wegsäubern kann. (...). " [5]

Der Großteil der Frauen der Guerilla stammt aus den kurdischen Dörfern. Daß sich gerade aus den Gebieten im 'Ausnahmezustand' auch immer mehr Frauen entschließen, der Strategie des türkischen Staates einen Strich durch die Rechnung zu machen, wenn gleichzeitig klar ist, daß es einen Platz in der Guerilla für sie gibt, erscheint uns logisch. Zumindest seit die PKK offen proklamiert, daß ihr Kampf auch ein Kampf der Frauen ist, gibt es diesen Platz:

"Ich kannte die Freunde, die Partei nicht. Wir hatten eine Miliz im Dorf (Angehörige der Miliz sind legale DorfbewohnerInnen, die die PKK z.B. als FührerInnen in schwierigen Gebieten oder auch bei Angriffen auf türkische Militärs unterstützen. Anm. der Verfasserinnen. Von ihnen haben wir einiges erfahren, aber nur sehr lückenhaft. Erst als eine Freundin aus unserem Dorf gefallen ist, hat sich in mir ein Bewußtsein entwickelt. Es hat mich sehr betroffen gemacht. Die Tatsache, daß Frauen sich am Kampf beteiligen können, hat mich sehr angezogen ". [2] (S.54)

Weitere Beweggründe

Für die Frauen, die zur Guerilla gehen, gibt es laut ihren eigenen Aussagen noch eine Menge mehr an Hoffnungen, Zielsetzungen und Motivation, die sie diesem Weg gehen lassen. Viele junge Frauen nennen ausdrücklich die Flucht aus den feudalen Dorfstrukturen und die Ablehnung des für sie vorgesehenen traditionellen Lebens als Gründe, in der PKK mitzuarbeiten:

"Nach der Pubertät war es so, daß mein mittlerer Bruder versucht hat, meine Ehre zu schützen, daß er mich unter Kontrolle halten wollte. Um mich zu schützen hat er mich immer verfolgt. Das hat mir nicht gefallen und ich habe mich dagegen gewehrt. Dadurch fing ich an etwas zu suchen, ich habe mir den Kopf zerrissen, was die Frauenbefreiung betrifft ". [2] (S.55)

"Ich war eine typische Frau der Gesellschaft, eine richtige Sklavin. Ich durfte nicht viel Kontakt zur Außenwelt haben, war nur in Kreisen der Familie. Erst als ich auf die Universität gegangen bin, habe ich mich frei gefühlt. Es war aber eine Befreiung, die nicht wirklich stattgefunden hat. Zumindest war ich außerhalb der Familie. Ich nahm an politischen Aktivitäten Teil, versuchte mich politisch zu entwickeln. Ich wollte mich als Frau befreien. Die Lösungen suchte ich bei Dev Sol (revolutionärer Weg, linke türkische Organisation), später bei der PKK".[2] (S.57)

"Ich bin deshalb zu PKK gekommen, weil die PKK für die Befreiung der Frauen kämpft. Meine Familie war dagegen, daß ich zur PKK gehe, nicht zuletzt auch aus diesem Grund. Aber ich weiß, daß die Familie keine Befreiung für mich ist und auch nicht für die Frauen an sich".[6] (S.63)

Gerade in den letzten Jahren hat sich an der Haltung der Familien zum Beitritt ihrer Töchter in die PKK einiges geändert. Immer mehr junge Frauen erfahren mittlerweile ausdrückliche Unterstützung von ihren Familien. Womit dieser Wandel zusammenhängen könnte, darauf gehen wir weiter unten im Text noch genauer ein.

"Meine Familie war eine sehr patriotische Familie und hat in dieser Beziehung großen Einfluß auf mich gehabt

(...) Vor allem meine ältere Schwester hat mir viel von der Partei erzählt (...) Ein Verwandter von mir ist als Märtyrer gefallen. Da war ich erst recht entschlossen der Partei (= Guerilla) beizutreten ". [2] (S.52)

Eine große Ausnahme bilden sicherlich nichtkurdische Frauen, die in die Guerilla eingetreten sind:

"Ich möchte zuerst erklären, daß ich Türkin bin und der Hauptgrund, warum ich hierher gekommen bin, ist der, daß die PKK die Menschlichkeit repräsentiert. Gleichzeitig ist der Kampf des kurdischen Volkes eine Sache von uns allen, denn er wird auch dem türkischen Volk, den Völkern des Mittleren Ostens und allen Völkern der Welt helfen ".[6] (S.63)

Zahlreiche kurdische Frauen verknüpfen demnach mit ihrer Tätigkeit in der PKK die Hoffnung auf eine Befreiung der Frauen von patriarchalen Zwängen. Es lassen sich durchaus auch schriftliche Beiträge von Frauen finden, die sich damit auseinandersetzen, wie diese Befreiung konkret umgesetzt werden kann:

"Damit uns nicht dasselbe passiert, wie den Frauen, die in anderen Frauenbewegungen tätig waren, die nach Beendigung des Kampfes wieder in ihre traditionelle Rolle zurückgedrängt wurden, wollen wir als Frauen des 'Freien Frauenverbandes Kurdistans' eine zukunftsorientierte Lösung schaffen. Ohne Organisierung wird die Lösung der Frage dem Zufall und dem Schicksal, sowie dem Wohlwollen der Männer überlassen, dies kann keinesfalls eine Lösung bedeuten. Denn mit der Revolution verschwinden bis dahin wirksame Wertmaßstäbe nicht plötzlich und ändert sich der herrschende Männlichkeitsbegriff und 'Weiblichkeitswahn' nicht von alleine. Wenn dabei die traditionelle weibliche, sklavische und unterwürfige Haltung fortbesteht, wird die Ausbeutung als Geschlecht auch weitergehen.

Um diese Ziele verwirklichen zu können, muß ein intensiver Kampf mit viel Durchsetzungskraft geführt werden. Wir können nicht von der Vorstellung ausgehen, daß mit der gesellschaftlichen Befreiung automatisch auch die Frauenbefreiung käme. Wenn wir dies täten, würden wir die Fehler des 'Real existierenden Sozialismus' wiederholen ".[2](S.104f)

Sexuelle Gewalt und Folter als Kriegsmittel gegen Kurdinnen

"Früher wurden alle Frauen durch die Religion unterdrückt. Die Mädchen, die zur Guerilla wollten, sind heimlich gegangen. Der Staat fing an, die Dörfer und Familien anzugreifen, die Frauen zu vergewaltigen, sie auszuziehen und nackt über den Dorfplatz zu schleifen. Seitdem schicken unsere Väter die Mädchen zur Guerilla, um ihre Ehre zu bewahren. Es bleibt aber trotzdem die Entscheidung der Mädchen, ob sie gehen wollen oder nicht, nur früher mußten sie heimlich gehen, jetzt haben sie die Unterstützung der Väter ".[4] (S.23)

In der traditionellen kurdischen Bevölkerung steht die Sittsamkeit und Unberührtheit der Frauen und Töchter für die Ehre der Familie. Frauen, die außerhalb der Ehe sexuelle Kontakte eingehen, darf es nicht geben. Selbst vergewaltigte Frauen und Mädchen gelten als entehrt und können von ihren Familien verstoßen werden.

Wie in jedem Krieg ist die Vergewaltigung von Frauen durch gegnerische Soldaten ein Kriegsmittel. Die damit verbundene Bedrohung ist für Frauen in Kurdistan allgegenwärtig. Ob sich eine als Lehrerin weigert, SchülerInnen die türkische Nationalhymne singen zu lassen, ob eine als Bäuerin in einem von türkischen Militärs besetzten Dorf lebt oder ob eine die PKK unterstützt, alle leben sie unter der permanenten Androhung sexueller Gewalt. Sie sind der Willkür der türkischen Soldaten ausgesetzt, die unglaublich grausame sexualisierte Folter miteinschließt. Selbst tote Guerilleras werden von der türkischen Armee vergewaltigt.

Vor dieser Bedrohung kann auch die Guerilla ihre Kämpferinnen nicht wirklich schützen. Deshalb wundert es uns, dies als Argument für den Eintritt von Mädchen in die Guerilla zu lesen. Der einzige Unterschied zwischen einer Guerillera und einer Lehrerin besteht darin, daß die erste mit einer Waffe ausgerüstet ist. Mit der wird sie sich töten, bevor sie in die Hände der Feinde gerät; die Lehrerin hat in ihrem Alltag diese Möglichkeit nicht. Die Guerillera hat zudem wahrscheinlich keinerlei Überlebenschance, wenn sie in die Mühlen des Gegners gerät. Frauen, die ihren Widerstand anders ausdrücken, haben die Möglichkeit, Festnahmen und Folter zu überleben.

Doch es kommt immer wieder zur Selbsttötung von Frauen, die sexuelle Folter überlebt haben. Sie sehen keine Möglichkeit weiterzuleben und können nur durch Selbsttötung ihre Ehre und die ihrer Familie wieder herstellen. Diese Vorstellung, der Folter entkommen zu sein und doch nicht leben zu können, trifft uns besonders.

Wir haben kaum Anhaltspunkte darüber gefunden, ob es in der kurdischen Gesellschaft aufgrund dieses Krieges und der massiv angewandten Folter zu einer Veränderung des Ehrbegriffs gekommen ist, ob Frauenvereine speziell dazu arbeiten, ab die PKK dazu Stellung bezieht...

Allerdings gibt es vereinzelt Hinweise darauf, daß Frauen in der Guerilla versuchen, Folteropfern ein Überleben zu ermöglichen und in der Bevölkerung ein Bewußtsein für deren Situation zu schaffen.

Steht der Weg in die Guerilla allen Frauen offen?

women in pkk "Wenn wir die Möglichkeit hätten, würde jede von uns zur Guerilla gehen," erzählen die Frauen des YKD in einem Interview mit einer deutschen Delegation.[4] (S.23)

Leider wird nicht darauf eingegangen, was manche Frauen im speziellen hindert, diesen Schritt zu tun. Da aber sehr oft von 'Mädchen' die Rede ist, die sich der PKK anschließen, gehen wir davon aus, daß insbesondere jungen, ungebundenen Frauen dieser Weg offen steht.

Wir denken, daß nichtverheiratete junge Frauen ohne Kinder den größten Anteil der Frauen in der Guerilla stellen.

Schon allein wegen der körperlichen Strapazen ist es durchaus verständlich, daß der Kampf in den Bergen eher für junge Menschen praktikabel ist und ältere Frauen und Männer an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden können. Das könnte ein Grund für das generell niedrige Alter in der Guerilla sein.

Für die meisten Frauen wird die Entscheidung, zur Guerilla zu gehen, zu dem Zeitpunkt anstehen, wenn sie alt genug sind, sich von ihren Familien zu lösen. Da Frauen traditionell jung heiraten, ist der Weg zur Guerilla für sie auch eine Alternative zu dem vorbestimmten Weg zur Ehe. Natürlich könnten auch verheiratete Frauen zur Guerilla gehen, aber wir vermuten, daß dies viel weniger geschieht.

In verschiedenen Texten konnten wir lesen, daß die Partei sich um die Kinder kümmert, im Fall, daß zwei Elternteile sich der Guerilla anschließen wollen. Allerdings halten wir es für verbreiteter, daß der Mann seine Familie verläßt und die Frau weiterhin für die Kinder Sorge trägt. Eine angehende Guerillera, die zu dieser Frage von einer europäischen Delegation interviewt wurde, findet "das ganz normal, daß der Mann seine Frau dort läßt und sich am Kampf beteiligt, denn die Familie ist in der kurdischen Gesellschaft ein großes Hindernis für den Kampf. Wenn jeder auf seine Familie hören würde, jeder an die Rettung seiner Familie denken würde, dann bräuchten wir überhaupt nicht zu kämpfen ".[6] (S.68)

Abgesehen davon, daß wir hier ein patriarchale Rollenaufteilung vermuten, zeigt sich an dieser Auffassung, daß das allgemeine Interesse des kurdischen Volkes in den Augen der PKKlerInnen immer Vorrang vor den Individualinteressen einzelner hat. Diese Bewertung finden wir in sehr vielen Regelungen des Zusammenlebens in der Guerilla wieder.

Der Aufbau der Frauenarmee

Der Bildung der Frauenarmee innerhalb der ARGK ging keine unabhängige Organisierung von Frauen voraus.

Zwar "wurde öfters diskutiert, oh die Freundinnen zusammenkommen sollten, aber es wurde nur so untereinander geredet. Wir waren auch zu wenige " [2] (S.73), so eine Guerillera zu der Frage, ob es den Wunsch oder die Forderung nach Fraueneinheiten gegeben hatte.

Trotzdem also die Initiative bei der Parteiführung lag, betonen Frauen, "daß das Wollen zu einer solchen Entwicklung sehr stark war. Wir haben uns nicht sehr wohl gefühlt. Zum Teil waren wir ja auch ganz offen zwischen den Männern und als dann dieser Befehl, mangas zu gründen, kam, war es uns wirklich sehr recht".[2] (S.70f)

Viele Frauen empfanden die Bildung von Fraueneinheiten als Fortschritt und eine Art Aufbruchssignal!

Genügend Frauen mußten militärisch und politisch ausgebildet werden. Das war sicherlich keine einfache Aufgabe, allein angesichts der Tatsache, daß die meisten Frauen aus kurdischen Dörfern Analphabetinnen waren. So gehörte denn auch das Lesen- und Schreibenlernen genauso mit zur Ausbildung wie die praktischen Erfahrungen in Kampfsituationen. Auch die kurdische Bevölkerung wurde über die bevorstehende Entwicklung informiert, um Akzeptanz für diesen Schritt zu schaffen. [2] (S.60)

Trotz aller anfänglicher Schwierigkeiten und Behinderungen gelang es den Frauen mit Unterstützung der Parteiführung in sehr kurzer Zeit, die Frauenarmee zu etablieren und zu vergrößern. Sie wurden in speziellen Schulungen ideologisch, politisch und militärisch gefördert, damit schnell eine genügend große Zahl von Kommandantinnen ausgebildet werden konnte. Nach einem Beschluß des Ersten Frauenkongresses vom 8. März 1995, der mit 350 anwesenden Frauen in einer extra dafür ausgesprengten Höhle stattfand, ist die Zentrale der Frauenarmee an das Generalsekretariat der PKK gebunden, handelt jedoch nach einem eigenen Statut. Neben einer unabhängigen Kaderschulung strebt der Kongreß die Leitung eigener Kriegsfronten an. Dazu gehört der Aufbau von Logistik genauso wie journalistische Arbeiten und die Einrichtung eines Pressebüros. Eine besondere Aufgabe, die während des Kongresses angenommen wurde, ist allerdings typischerweise die Einrichtung einer zentralen Gesundheitsversorgung durch die Fraueneinheiten:

"Nach den Vorstellungen der PKK soll die Frauenarmee ihre eigenen Gesundheitseinheiten organisieren, ebenso wie ein eigenes Krankenhaus. Sie soll für die Gesundheit der Mütter und Kinder in den befreiten und halbbefreiten Gebieten sorgen. Eine wichtige Aufgabe ist das ohne Frage. Doch nicht nur für Feministinnen stellt sich die Frage, oh Frauen hier wieder für den "sozialen Dienst" eingesetzt werden? Es wird sich noch zeigen müssen, welche Möglichkeiten es für Frauen gibt, an politischen Entscheidungstrukturen zu partizipieren. Für die externe Beobachterin sind in den Führungspositionen bis heute nur Männer sichtbar".[1]

Mit welchen Schwierigkeiten waren und sind die Frauen in der Guerilla konfrontiert?

Abgesehen davon, daß es für jede/n sicher nicht einfach ist, sich den Bedingungen des bewaffneten Kampfes in den Bergen Kurdistans zu stellen, brachte die Aufnahme in die ARGK für die betreffenden Frauen zusätzliche Probleme mit sich. Frauen wurden - wie könnte es anders sein? - von den Männern erstmal nicht ernst genommen. Auch ein fortschrittliches Parteiprogramm konnte nichts daran ändern, daß Frauen, von denen viele noch vor kurzer Zeit aufgrund der feudalistischen Familienstrukturen das Haus nicht ohne männliche Begleitung verlassen hatten, in der Guerilla mit massiven Vorurteilen kämpfen mußten:

"Die meisten Männer hatten einen sehr starken feudalistischen Stolz und konnten uns nicht akzeptieren. Viele Frauen wurden nach Hause geschickt mit der Begründung, sie könnten sowieso nichts tun. Und wenn sie da waren wurden sie z.B. in die Küche geschickt, durften nicht in den Krieg, nicht an Auseinandersetzungen teilnehmen. So konnten sich Frauen politisch und militärisch nicht weiterentwickeln. Weil wir selbst keine Erfahrung hatten, blieb uns nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren. Die Freunde haben immer gesagt, daß Frauen zu empfindlich sind, daß sie nicht in dem hohen Schnee gehen können, der über ein Meter ist, daß sie viele Schwierigkeiten beim Laufen haben werden. Aber auf der anderen Seite haben wir sehr oft Kuriertätigkeiten übernommen, auch bei Auseinandersetzungen".[2] (S.61)

Vereinzelt wie sie waren, konnten die Frauen sich auch erstmal nicht gegenseitig stärken. Die Voreingenommenheit der Männer begrenzte ihre Möglichkeiten, Selbstbewußtsein und Persönlichkeit zu entwickeln. Eine Folge dieser Situation war, daß Frauen sich von Beginn an in einem Kampf um Anerkennung und in Konkurrenz mit Männern befanden, unter dem bekannten Druck, sich beweisen und "besser" sein zu müssen:

"Einige Freundinnen haben sich sehr männlich gegeben. Vom Aussehen her und auch von ihrer Art sich zu bewegen wollten sie wie Männer sein, anstatt starke Frauen zu werden. Obwohl ihre körperlichen Fähigkeiten es gar nicht zugelassen haben, haben sie sich immer wieder in Konkurrenz zu den Männern gestellt. (...) Es wurden über die körperlichen Fähigkeiten hinaus Lasten getragen. Das - führte zu gesundheitlichen Problemen, z.B. Rückenschmerzen, Unterleibsschmerzen oder die Regel blieb aus. Das revolutionäre Leben wurde nicht gelernt. Statt sich ideologisch-politisch zu bilden, hat man ständig versucht, sich den Männern zu beweisen ".[2] (S.67)

Als ihre Hauptprobleme beschreiben Frauen ihr mangelndes Selbstbewußtsein, fehlende Politisierung und Initiativlosigkeit.

Trotzdem war es auch mit Bildung der Fraueneinheiten oft noch ein schwieriger Weg hin zu einem solidarischen Klima, in dem die Frauen sich gegenseitig anerkennen und stärken konnten. Nicht zuletzt mußten sich die Frauen selbst darauf vorbereiten, jetzt unabhängig(er) von männlicher Führung zu kämpfen. Eine Guerillera beschreibt die Zeit der ersten Fraueneinheiten:

"In den Frauenmangas war es so, daß die Freundinnen wenig Selbstvertrauen hatten und es auch an Vertrauen untereinander mangelt. Wir wußten nicht, wie stark sind wir? Man hat sich gegenseitig nicht geholfen und Probleme mit Männern beredet. Am Anfang war es so, daß die Freundinnen die Befehle der Kommandantinnen nicht befolgt haben, daß sie sich geweigert haben, von einer Frau Befehle anzunehmen. Aber wenn ein normaler Kämpfer gekommen ist und etwas befohlen hat, wurde der Befehl ausgeführt, ohne darüber nachzudenken, daß er gar kein Recht hat zu befehlen."[2]

Kritik und Selbstkritik

"Wenn wir kritisiert wurden, haben wir typisch weiblich reagiert, total verstört, konnten es nicht glauben, daß wir so hart kritisiert werden. Im Grunde fanden wir uns ja selbst minderwertig."[2]

Nach Leukefeld, die Anfang der 90er Jahre Gelegenheit hatte, die zentrale Ausbildungsstätte (Mahzum-Korkmaz-Akademie) zu besuchen, wird der Ausbildung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale großer Wert beigemessen: "Mit gemischten Gefühlen mag man als Außenstehender die Formung der 'militanten Persönlichkeit' sehen, die im Mittelpunkt der Ausbildung steht. Kritik und Selbstkritik sind wesentlicher Bestandteil und gehören sicherlich zu den schwierigsten Kapiteln. Alle müssen lernen, vor dem versammelten Camp zu sprechen. Offen soll über alle Probleme diskutiert werden, ohne Scheu. Kungelei wird ebenso kritisiert, wie das 'Reden hinter vorgehaltener Hand'. Jeder und jede muß lernen, öffentlich andere zu kritisieren, egal ob es ein Kommandant, der Vorsitzende der Partei, ein Genosse oder eine Genossin der gleichen manga ist."[1](S.202)

In der PKK wird davon ausgegangen, daß die Veränderung des im Feudalismus (von Frauen wie von Männern) entwickelten Geschlechterrollenverhaltens eine unverzichtbare Voraussetzung für eine radikale gesellschaftliche Umwälzung ist.

In zahlreichen Stellungnahmen wird geschlechtsspezifisches Verhalten von Männern und Frauen mit schonungsloser Offenheit kritisiert. Im vorrangegangenen Kapitel sind schon einige Beispiele aufgeführt, in denen PKK-lerinnen sich und ihre Genossinnen kritisieren. Es gibt aber durchaus auch Widersprüche zum Verhalten des männlichen Geschlechts. So wird in einem Diskussionspapier anläßlich der "Ersten Internationalen Kurdischen Frauenkonferenz" der Mann aufgerufen, "von seiner jahrhundertelangen Herrschermentalität Abstand (zu) nehmen".[7](S.46)

An anderer Stelle geht Serpil Koc vom Kurdischen Frauenverband davon aus, daß der patriarchale Männlichkeitswahn der kurdischen Männer auch den Kampf um die nationale Befreiung Kurdistans behindert: "Diese Männlichkeit kann uns nicht retten, ganz im Gegenteil, sie macht uns zu Verlierern. Sie schafft weder Achtung noch Würde, noch schätzt sie die Werte unseres Landes. Sie verhindert auch nicht die Unterdrückung und Kolonialisierung. Diese inhaltsleere kurdische Männlichkeit besitzt nur Stärke gegen die kurdische Frau. Ein Mann, der seine Frau unterdrückt, ist auch nicht in der Lage, sich für die Freiheit und Unabhängigkeit richtig einzusetzen."[8](S.41)

Frauen sollen ihrerseits lernen, "auf ihre eigene Kraft (zu) vertrauen und kein Bedürfnis nach Anlehnung (zu) haben." Sie sollen ihre "Unentschlossenheit zur Macht" überwinden.[7](S.46)

Beziehungen zwischen Männern und Frauen in der Guerilla

Zu diesem Thema finden sich teilweise widersprüchliche Angaben. Einerseits gibt es aufgrund verschiedenster Quellen Anhaltspunkte dafür, daß in der Guerilla sexuelle Beziehungen zwischen Männern und Frauen gelebt wurden, auf der anderen Seite ist in neueren Quellen zu lesen, daß jede körperliche Berührung zwischen Frauen und Männern verboten ist. Über andere Formen von Sexualität haben wir keine Aussagen gefunden.

Eine und die uns plausibelste Erklärung für die widersprüchlichen Informationen ist, daß das Verbot nicht von Anfang an existierte, sondern erst zu dem Zeitpunkt erlassen wurde, als die Partei ganz aktiv Frauen für die Guerilla warb. Aufgrund der Vorbehalte der Familien, ihre Töchter ohne Kontrolle durch männliche Familienangehörige in die Berge gehen zu lassen, ist es durchaus vorstellbar, daß ein solches Verbot dazu beigetragen hat, die Familien zu beschwichtigen und ihr Vertrauen zu gewinnen. Dies ist aber unsere Spekulation.

Von organisierten Frauen wird argumentiert, daß sie als Frauen nicht frei von patriarchalen Zwängen wären und es deshalb nicht günstig für sie sei eine Verbindung mit einem Mann einzugehen, in der sich sicherlich alles schnell wieder nach den alten Verhaltensmustern einrichten würde. Eine Vorbereitungsgruppe zum Frauenkongreß stellte fest:

Die Frau, die kein Bewußtsein über sich hat und Beziehungen eingeht, begibt sich in eine versklavte Situation. Liebe und Verliebtheit werden (in der kurdischen Gesellschaft) als feudale, kleinbürgerliche Verlogenheit gelebt. Die Frau hat keine Möglichkeit zur Wahl, keine Kriterien und Maßstäbe. Sie ist lenkbar. Der Mann schöpft seine ganze Kraft aus der Unterdrückung der Frau. Die Frau benutzt ihre sexuelle Anziehungskraft, um etwas durchzusetzen, auch in den Bergen. Sie versucht, den Mann an sich zu binden. Dadurch wird Sexualität missverstanden, Liebe und Interesse aneinander darauf reduziert. Die Sexualität dient wieder nur den Bedürfnissen des Mannes."[2] (S.62)

Inwiefern diese Beziehungstheorien von den einfachen PKK-Kämpferinnen geteilt oder als Bevormundung gesehen werden, entzieht sich unserer Kenntnis. Genauso, inwieweit das Verbot tatsächlich eingehalten wird.

PKKFrauenideologie und Glaubwürdigkeit

"Früher, als wir noch keine Waffen hatten, standen die Frauen zwischen den Fronten, sie haben so Kriege beendet. Apo hat gesagt, die Befreiungsbewegung in Kurdistan hat den Frauen einen Platz gegeben, die Frauen müssen ihn jetzt ausfüllen."[4] (S.28) Welches die wirklichen Gründe der PKK Führung waren, diesen Raum für die Frauen zu öffnen, bleibt Spekulation. Ein Grund ist sicherlich die banale Tatsache, daß Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen und natürlich ein enormes Kräftepotential darstellen, was eine Guerilla, die auf ständig neue KämpferInnen angewiesen ist, nicht ignorieren kann.

Wie ernst es der PKK tatsächlich mit der Befreiung der Frau ist, wenn diese drohen würde, den Rahmen der von der Partei gesetzten Ziele zu sprengen, ist fraglich. Die Frauenarmee hat sich laut eigenem Beschluß unter die Oberbefelsgewalt der Parteiführung gestellt. Das war sicherlich von der PKK von vorneherein so geplant und vorbereitet.

Wie weit die Frauen damit kommen und wie weit sie überhaupt wollen, wird die Zukunft zeigen.

Was theoretisch von den führenden Frauenvereienen und auch teilweise von Apo zum Thema Frauenbefreiung vertreten wird, ist eine Position, die wir als 'Die Frauenbefreiung als automatischer Weg zur Befreiung der Gesellschaft' beschreiben würden. Diese These halten wir für Quatsch. Ihre Argumentation baut auf der Annahme auf, daß die Frau an sich ein besserer Mensch sei als der Mann, bzw. daß alle Frauen gute Menschen sind, sei es durch ihre jahrelange Unterdrückung, sei es durch biologistische Unterschiede.

Solche Argumentationsstränge sind uns nicht fremd und auch die deutsche Linke, eingeschlossen Teile der feministischen Bewegung, haben teilweise (und tun es sicherlich auch immer noch) so argumentiert.

In jeder Zeit haben Frauen bewiesen, daß sie genauso wie Männer skrupellos und über Leichen gehend ihre Interessen durchsetzen können, wenn sie den Handlungsspielraum dazu haben. KZ-Wächterinnen waren nicht sozialer und menschlicher als KZ-Wächter. Führende Politikerinnen wie Thatcher und Ciller sind keine Ausrutscherinnen. Wenn alle Frauen mehr Möglichkeiten auf Machtpöstchen hätten, wären sie sicherlich keineswegs humanistischer als die Männer, die momentan die entsprechenden Ämter betreiben.

Hier ein Zitat aus einer TAJK-Broschüre, das besonders deutlich macht, welches Wesen den Frauen zugedacht wird: "Die türkische Bourgeoisie maskiert ihr blutrünstiges Gesicht der Gewalt, der Ausbeutung, der Unterdrückung durch eine Frau. Das ist die größte historische Ungerechtigkeit gegenüber der Frau. Der weibliche Charakter des Schönen, der Gutmütigkeit und Aufrichtigkeit, der von der patriarchalen Gesellschaft so sehr mißbraucht wird, wird im Dienst der Grausamkeit eingesetzt, womit Ciller ihr eigenes Wesen als Frau verletzt."[7]

Unsere Skepsis gegenüber einer Organisation mit Führerpersönlichkeit wird sicherlich von vielen LeserInnen geteilt. Unsere Skepsis bezüglich Apo, bestimmt auch.

Seine offizielle Positionen zu den unterschiedlichsten Anlässen hören sich einfach scheußlich an. Er taktiert auf den verschiedensten Ebenen herum, und hat z.B. keine Skrupel rechten deutschen Politikern nach dem Mund zu reden.

Für alle findet er das richtige Wort und auch für die deutsche Linke sind ein paar Brocken dabei. In seinem Ansprachen lassen sich nichtzuletzt einige Zeilen finden, die uns Frauen als eigene Forderungen und Ziele recht bekannt vorkommen. Vieles davon zum Thema Frauenbefreiung.

Wir wollten Apo aus diesem Text so gut wie möglich raushalten. Wir trauen ihm nicht und wollen uns nicht an seinen Aussagen abarbeiten. Wir haben deshalb versucht uns auf Material zu stützen, in dem andere, hauptsächlich Frauen zu Wort kamen.

'Frauenbefreiung' von oben verordnet

kann nicht wirklich funktionieren. Dafür gibt es etliche geschichtliche Beispiele. Um nur eines zu nennen, zitieren wir drei irakische Kurdinnen (Dozentinnen), die im Herbst 1991 von der Korrespondentin Lissy Schmidt, interviewt wurden. Das Gespräch fand kurz nach der Befreiung der Stadt Sülaymania durch kurdische Peschmergas statt:

Lissy Schmidt: "Eure Stadt ist nun vom irakischen Militär befreit, und wird von der Kurdistan-Front verwaltet, besser gesagt, von den Männern der Front. Ich verstehe das nicht ganz. Es ist noch nachvollziehbar, daß sich in eurer Gesellschaft wenig Frauen am bewaffneten Kampf beteiligt haben. Aber jetzt, in der politischen Verwaltung, könntet ihr doch auch euren Platz einnehmen?"

Xelal: "Theoretisch hast du recht, wir Frauen halten uns momentan zurück. Wenn ich darüber nachdenke, fallen mir vor allem erstmal zwei Gründe ein. Einmal weißt du ja vielleicht, daß sich das Baath-Regime unter anderem auch die Gleichstellung der Frauen auf seine Fahnen geschrieben hatte. In jeder Stadt gab es die Baath-Frauen-förderation, und gerade wir, also Frauen, die studiert haben, wurden praktisch gezwungen Mitglied zu werden.

Damit nicht genug, haben sie versucht, uns dort zu Spitzeln zu erziehen."

Rewsen: "Ja, wer einen Bruder oder sonstigen Verwandten bei den Peschmergas hatte, wurde immer wieder danach gefragt; sie wollten, daß vor allem wir Frauen die legalen Unterstützer der kurdischen Parteien ausspionieren. Da gab es enormen Druck innerhalb der Föderation

Xelal: "Das führte dazu, daß wir Frauenorganisierung ganz abgelehnt haben. Wir haben uns einfach aus dem politischen Leben zurückgezogen, um nicht gegen unsere Verwandten eingesetzt zu werden. Eigentlich finde ich es richtig, daß Frauen sich selbst organisieren sollen, aber ein bißchen wurde das Kind da mit dem Bade ausgeschüttet. Viele Frauen wollen sich heute gar nicht mehr organisieren ". Saliha: "Ich würde es noch schärfer sagen, dadurch, daß uns die Baath dazu zwingen wollte, haben wir uns nicht nur gegen politische Organisierung, sondern überhaupt gegen Aktivitäten als Frauen gesträubt. Wir sind lieber zu Hause geblieben, weil wir fortschrittlich sein "mußten"."[9]iS.60

So kann das Thema Frauenbefreiung sicherlich von ganz unterschiedlichen politischen Spektren funktionalisiert werden. Die PKK als Trägerin dieser Botschaft verkörpert für die türkisch-kurdischen Frauen momentan etwas ganz anderes, als es das Baathregime für die oben interviewten Frauen tat

Das trägt dazu bei, daß Frauen in türkisch-kurdischen Gebieten den Ideen von Frauenorganisierung, Gleichberechtigung,... viel positiver gegenüberstehen, und sich angehalten fühlen, deren praktische Umsetzung zu erproben.

Im Türkisch-Kurdistan scheint die Verordnung zur Frauenbefreiung (durch eine Organisation mit der sich die Frauen zumindest ein stückweit identifizieren können), mit ihrem Willen nach radikaler Veränderung der eigenen Handlungsspielräume, Mitbestimmung,... zusammenzukommen. Und das ist für uns zunächst der ausschlaggebende Punkt.

Wir können unsere eigene Situation und unsere eigenen Bedingungen nicht mit denen kurdischer Frauen vergleichen. Wir sind an einem anderen Punkt, haben andere Voraussetzungen. Wir blicken von unserem abgegessenen, abgesumpften Umfeld, in dem nach wie vor noch jede prima leben kann, wo aber ansonsten kaum noch positive Aktivitäten zu verzeichnen sind, auf ein Kriegsgebiet, in dem eine der Realitäten mittlerweile die PKK ist. Egal wie taktisch die Ausgangsüberlegungen der Partei waren, mehr Frauen zu integrieren, wir können das, was sich in Kurdistan unter den Frauen verändert, nicht schlecht finden. Wichtig ist, was die Frauen aus dem Raum machen, der sich für alle ein Stück weit geöffnet hat, wie weit sie sich vorwagen.

Stärkeres Selbstbewußtsein, Mut und Durchsetzungskraft sind positive Attribute, die wir allen Frauen wünschen. Da wir nicht davon ausgehen, daß sie das bessere Geschlecht sind, ist für uns durch eine Beteiligung von Frauen in allen Bereichen des Lebens zwar formal die Gleichberechtigung durchgesetzt, aber noch lange keine Revolution gemacht.

Wie die kurdische Gesellschaft organisiert werden wird, wenn ihr endlich Zugeständnisse in Form von Autonomie oder ähnlichem gemacht werden würde, steht auf einem ganz anderen Blatt. Auch da gibt es eine ganze Reihe von gesellschaftlichen Realitäten wie Weltmarkt, etc. an der keine größere Menschengruppe auf dieser Erde heute mehr vorbeikommt.

Der Krieg in Kurdistan geht mit unverminderter Härte weiter. (Dazu mehr im nächsten Text).

Wir wünschen den kurdischen Frauen viel Kraft auf ihrem Weg!

Anmerkungen:

YAJK: - Die YAJK begreift sich als ein Teil der gesamten Befreiungsbewegung Kurdistans, ist jedoch in Europa aktiv. Sie unterstützt sowohl politisch als auch materiell die Frauenbewegung in Kurdistan. Sie vertritt, daß die Befreiung der kurdischen Frau gleichzeitig die Befreiung der kurdischen Gesellschaft sei. Die Entstehung eines befreiten Gebiets - die Frauenarmee - ist für sie ein Sprung zur Verwirklichung einer starken selbstbewußten Frau, die in jeder Beziehung unabhängig vom Mann denkt und handelt. Eine Frau, die sich der Kontrolle des Mannes auf allen Ebenen entzieht.

Die YAJK versucht, mit allen organisierten Frauen in Auseinandersetzung zu kommen bis ins reformistische Spektrum hinein und nahm z.B. auch an der UN-Frauenkonferenz in Peking Teil. Auch die Beziehungen zu internationalen, antiimperialistischen, antikolonialen Frauenbewegungen mochte sie verstärkt weiterentwickeln. Angestrebt wird dabei z.B. ein internationaler Frauenkongreß.

Geschichte: Anfang der 80er-Jahre wurde zunächst in Europa ein kurdischer Frauenverein gegründet: YJWK Patriotischer Frauenverein Kurdistan. Nach der Gründung der Frauenarmee entstand entsprechend auch in Kurdistan (in allen Teilen) die TAJK, die Freie Frauenbewegung Kurdistans. 1993 wurde die YJWK im Zuge des PKK-Verbots verboten. Ein Jahr später gründete sich die YAJK und ist seitdem in mehreren europäischen Ländern organisiert und auch im kurdischen Exilparlament vertreten.

Quellenangaben: