Jedes Herz eine Zeitbombe - Rekrutierungszüge / abschiebezüge stoppen !

Die obenstehende Erklärung und Sabotageanleitung haben wir Anfang Januar nach getaner Arbeit an ein paar ausgewählte Adressen verschickt.

Am 2.1.96 erschien in der jungen Welt sowie in der TAZ eine Meldung aus der hervorging, daß unsere Aktion schiefgelaufen sein sollte. Das hat uns erstmal ziemlich verunsichert, denn für uns stellte sich die Frage, ob wir mit der Anleitung, umfangreicher technischer Literatur und praktischer Erprobung zum Trotz, nicht etwas Falsches unter die Leute gebracht hatten.

Nach dem 5.3.96 kam dann etwas mehr Licht in die Sache. Laut Zeitungsmeldungen hatte ein Streckenläufer der Deutschen Bundesbahn in zwei Schaltkästen für Achszähler Brandsätze gefunden.

Das wundert uns nicht. Die hatten nämlich wir am 2.1. an der Trasse Berlin-Magdeburg dort abgelegt. Die beiden Achszähler waren von uns mit je einem Brandsatz bestückt worden, von denen wir jetzt wissen, daß sie wegen der zu der Zeit herrschenden Kälte mit zu schlappen Batterien versehen waren und deshalb nicht hochgegangen sind. Darüberhinaus hatten wir an zwei Radsensoren (ca. 1 km von den Achszählern entfernt) die Kabel durchgezwickt, nachdem wir direkt daneben eine Puppe plaziert hatten, die dem Zugpersonal/Reperaturtrupp etwas bombiges suggerieren sollte. (siehe Foto).

Dieser zweite Teil der Sabotage (Radsensoren und Puppe) waren ein Fakt - und die Bullen, Bahn und BGS wußten auf Nachfrage der Redakteure von Jungen Welt und TAZ von nichts? 2 Monate später jedenfalls wußten sie zu vermelden, daß Anfang Januar “Bundeswehrgegner in diesem Bereich entlang der Schienen eine Strohpuppe aufgehängt und (die) Lichtsignalanlage eines Bahnüberagangs manipuliert ...” hatten.

Rückblickend können wir sagen, daß die Aktion gemessen an unseren Erwartungen etwas floppig ausgefallen ist. Wir hatten uns eine ordentliche Behinderung des Zugverkehrs versprochen. Die ist zwar eingetreten, jedoch mit zweimonatiger Verspätung. (Der Lacher daran ist, daß unsere Blindgänger offenbar zeitgleich zur Einberufung von Luftwaffen-Rekruten gefunden wurden und so doch noch zu etwas nütze waren.) Als wir die Berliner Presse vom 5.März auswerteten, erfuhren wir, daß unser Eingriff eine Schrankenlichtanlage für Autos auf Rot schaltete. Mehr aber war den Pressemeldungen nicht zu entnehmen.

Aus unserer Sicht gibt es Indizien dafür, daß es zu Störungen im Zugverkehr kam. Die Örtlichkeiten haben es uns nicht erlaubt, länger als nötig vor Ort zu bleiben, um die Wirkung einzuschät zen. Unser Test an einem Achszähler jedenfalls war befriedigend verlaufen (Zug passierte im Schrittempo). Nach dem Handbuch der Deutschen Bundesbahn zwingt ein Ausfall von zwei hintereinaderliegenden Achszählern (= zwei Streckenabschnitte) die Bahn, eine Überprüfung des fraglichen Streckenabschnittes vorzunehmen, dort wo der Zug keine Durchfahrt mehr erhält.

Wenn unser Eingriff an den Radsensoren mehr Wirkung gehabt hat als uns die Presse bzw. die Pressestelle der Polizei glauben machen will, so ist festzuhalten, daß die Wirkung zumindest kaschierbar war. Wider besseren Wissens wurde unsere Aktion vom 2.1.96 unterschlagen, so daß die Junge Welt zurecht die Frage aufwarf, ob “der Anschlag schiefgegangen oder das Sicherheitssystem der Bahn versagt” habe. Die Unterschlagung wird mit den Pressenotizen vom 5.März deutlich. Auffallend finden wir auch, daß wir am 5.März mit keinem Wort erwähnt wurden (Alle Zeitungen wurden durch uns von der Aktion in Kenntnis gesetzt).

Bei uns sind Fragen zurückgeblieben, ob diese Unterschlagung aus politischen Gründen geschehen ist. Entweder, um unsere Initiative (Bündelung der Aktionen gegen Rekruten- bzw. Abschiebezüge/Neubestimmung von Militanz auf antipatriarchaler Grundlage) keinen öffentlichen Raum zu geben und/oder ob es die Sorge um eine neue Sabotageform war. Wenn letzteres so wäre, dann deshalb, weil sich dem Wurfanker gegen den Castortransport eine simple Methode zugesellen würde, wie zusätzlich zu dem Anker Züge zu stoppen sind. Die Unterschlagung hat für diesen Fall die Verhinderung einer ausgeweiteten Anwendung zum Ziel.

Uns würde in diesem Zusammenhang brennend interessieren, ob es innerhalb des Antiatomumfeldes angelehnt oder aufbauend auf unsere Praxisanleitung Anschläge gegeben hat und welche Erfahrungen damit gemacht wurden. Wir begrüßen eine öffentliche Auswertung militanter Aktionen um der Verbreiterung militanten Widerstandes zuzuarbeiten und anderen Menschen die Möglichkeit zu geben, selber direkte Aktionen zu machen. In diesem Sinne verstehen wir unsere Rückschau.

All unseren Freunden und Freundinnen einen lieben Gruß und Dankeschön!

Flammende Herzen, Mai 1996