Sofortige Freilassung von Safoan Eid!

Eigentlich sollte auf den folgenden Seiten ein ausführlicher Artikel über den Lübecker Brandanschlag kommen, bei dem in der Nacht zum 18.1.1996 10 Menschen starben und 38 zum Teil schwer verletzt wurden. Kurz vor Redaktionsschluß erfuhren wir, daß aus dem Artikel nichts wird. Äußerst ärgerlich, fanden wir, mußten dann aber auf die Schnelle einiges umkoordinieren.

Viel zu schnell ist nicht nur dieser wahrscheinlich faschistische Anschlag mit den brutalsten Folgen wieder in Vergessenheit geraten. Immer noch sitzt der libanesische Flüchtling Safoan Eid als angeblicher Täter in U-Haft, ohne daß auch nur ein Beweis existiert, nach dem er für den Brand verantwortlich ist. Wir haben uns jetzt entschlossen, eine Erklärung der überlebenden Flüchtlinge aus dem Lübecker Flüchtlingsheim zu dokumentieren, weil er den rassistischen Umgang der Verfolgungsbehörden am deutlichsten vermittelt, und werden im Anschluß lediglich einige Einzelheiten hinzuzufügen, die in diesem Text nicht enthalten sind. Die nächsten knappen zwei Seiten können also die genauere Beschäftigung mit dem Thema nicht ersetzen, sie sollen nur jene informieren, die keine Hintergründe über den Brandanschlag kennen.

Alle anderen, denen der Artikel nichts Neues sagt, sollen nochmal mit der Nase in die Scheiße getunkt werden. Leider fehlt jetzt der Raum, um uns mit den Phänomen deutscher Täter-Opfer-Verdrehung zu beschäftigen, wie sie nach dem Lübecker Brand in einer neuen, noch agressiveren Form stattgefunden hat. Wir haben jetzt noch die große Erleichterung in den Ohren, die sich durchs Land der Deutschen zog, als die Medien erfreut vermelden konnten, “nicht einer von uns, ein Asylant wars.” Kaum konnte Safoan Eid als Täter präsentiert werden, wurde von der FAZ und ihrem alternativen Ableger taz publizistisch auf alle geschossen, die von einem rassistischen Brandanschlag gesprochen hatten.


Wir, die Überlebenden des Brandanschlages vom 18.1.1996 melden uns zu Wort

Nach Wochen der Trauer wenden wir uns an die Öffentlichkeit. Nicht genug, daß wir 10 Menschen aus unserer Mitte verloren haben. Wir werden weiter gequält. Die Presse ist über uns hergefallen. Wir selber sollen den Brand gelegt haben. Unser Freund, Bruder und Sohn Safoan soll der Täter sein. Aber die wirklichen Täter laufen frei herum und werden nicht weiter verfolgt.

Wir haben in der Hafenstraße jahrelang zusammen gelebt wie eine große Familie. Unsere Kinder haben überall im Haus miteinander gespielt - egal, ob sie schwarz oder braun oder weiß waren. Wir haben uns sehr gut verstanden. Jetzt behaupten die Medien einen bösen Streit zwischen Arabern und Afrikanern. Diesen Streit gibt es nicht. Wir haben in Frieden und Freundschaft zusammengelebt - wir Flüchtlinge aus Angola, aus dem Libanon, aus Syrien, aus Togo, aus Zaire. Es wird ihnen nicht gelingen, uns zu spalten. Der Brandanschlag vom 18. Januar war nicht der erste Angriff auf uns. Bereits im Juni letzten Jahres wurde im Eingang des Hauses eine stark riechende, brennbare Flüssigkeit ausgeschüttet. Es ist damals nichts weiter passiert. In der Nacht zum 18. Januar haben einige von uns deutlich gehört, wie eine Scheibe eingeschlagen wurde. Kurz darauf stand das ganze Haus in Flammen. Viele von uns sind aus den Fenstern gesprungen. Der Polizei haben wir gesagt, wo die meisten Menschen im Haus sind. Sie hat uns nicht geholfen. Sie hat zugeschaut, bis die Feuerwehr kam.

Mit schlimmen Knochenbrüchen, Brandverletzungen und Rauchvergiftungen sind wir in die Krankenhäuser gebracht worden. Viele von uns waren und sind schwer verletzt. Das hat die Polizei nicht interessiert. Noch in der Tatnacht haben sie uns langen und quälenden Verhören ausgesetzt. Wir wurden verdächtigt, selbst Schuld zu sein. Wir sind behandelt worden wie die Täter, wie Verbrecher. Sie haben keine Rücksicht genommen auf unsere Trauer um die Menschen, die wir verloren haben. Zuerst wurden wir für dumm und primitiv gehalten. Wir sollen Feuer in den Wohnungen gemacht haben; wir sollen mit Benzin gehandelt haben; wir sollen an der elektrischen Anlage herumgespielt haben und so weiter. Das ist alles nicht wahr. Wir sind nicht dumm. Dann haben sie versucht, die Täter unter uns zu finden. George haben sie verdächtigt, Rabi und Silvio. Rabi und Silvio sind beide tot - sie waren unsere Freunde. Und dann haben sie Safoan festgenommen. Er soll einen Streit mit Gustave gehabt haben. Dann soll er aus Rache das Haus angesteckt haben, in dem seine eigene Familie lebt und er selbst geschlafen hat. Gustave und alle anderen haben vor der Polizei, vor der Presse und im Fernsehen gesagt, daß es zwischen ihnen keinen Streit gegeben hat. Es gab keine Prügelei, und es gab keinen Streit um ihre Frau und keine Eifersucht. Wir wissen alle: Safoan kann nicht der Täter gewesen sein. Und niemand anders aus dem Haus war es. Safoan hat mit seinen Brüdern im 4. Stock der Hafenstraße geschlafen, bis er von Rufen der Nachbarn geweckt wurde. Als er die Tür öffnete, schlugen ihm die Flammen und der Rauch entgegen. Safoan hat sofort damit begonnen, andere Menschen aus dem Haus zu retten. Er wurde dabei selbst vom Feuer verletzt.

Drei deutsche Jungen sind nur wenige Stunden vernommen worden. Sie kamen nicht in Untersuchungshaft. Sie sind nach weniger als 48 Stunden freigelassen worden. Ihre Namen wurden geschützt. Safoans Name und sein Bild ging durch die Presse. Sie haben ihn schon verurteilt, bevor noch die Anklage erhoben ist. Safoan hat es nicht getan. Er muß im Gefängnis bleiben, weil kein Deutscher der Täter sein soll. 38 Zeugen, die alle dasselbe sagen: Safoan ist nicht der Täter, wird nicht geglaubt. Aber einem einzigen deutschen Feuerwehrmann wird geglaubt. Das Wort der Ausländer ist nichts wert. Der Feuerwehrmann sagt nicht die Wahrheit. Er hat seine Aussage erst gamacht, als eine Belohnung für die Ergreifung der Täter ausgestellt war. Warum hat er sich nicht direkt an die Polizei gewandt, die im selben Fahrzeug saß, als Safoan mit ihm gesprochen hat? Bis heute versucht die Polizei, Zeugen zu finden, die ihn belasten. Immer wieder werden wir aufgefordert, doch zu sagen, daß er es war. Kinder werden bis zu 5 Stunden ohne ihre Eltern und ohne einen Anwalt verhört. Die Polizei sagt ihnen: Du kennst den Täter, Safoan! Erzähl über ihn, was weißt du über ihn.!?

Um uns zu beleidigen und uns in der Öffentlichkeit schlecht zu machen, denken sie sich die schäbigsten Geschichten aus: Wir sollen unsere Kinder verprügelt haben. Wir sollen Porno-Filme mit unseren Kindern gedreht haben. Wir sollen Safoan geschützt haben, weil wir angeblich etwas zu verbergen haben. Sie wollen uns unglaubwürdig machen und gegeneinander aufhetzen. Es wird ihnen nicht gelingen. Jetzt drohen sie uns mit der Abschiebung: Der Brandanschlag soll mit unserer Asylbewerbung nichts zu tun haben. Sie wollen lästige Zeugen loshaben.

Nach dem Brand sind jedem von uns 1000.- zugesagt worden, um uns das Nötigste zu kaufen. Wir haben ja alles in den Flammen verloren. Nur unsere Kassetten hat die Feuerwehr gerettet. Sie sind von der Polizei beschlagnahmt worden, weil sie belastendes Beweismaterial auf ihnen vermutet hat. 800.- Mark sind uns schließlich gezahlt worden. Wir sind nicht dankbar für diese Unterstützung: die Stadt will uns ihr schlechtes Gewissen abkaufen. Uns sind Wohnungen zugesagt worden. Es wird behauptet, alle hätten eine Woche nach dem Brandanschlag eine Wohnung erhalten. Auch das ist nicht wahr. Einige von uns leben noch heute in der Kaserne. Wir wollen etwas anderes:

Wir wollen


Nun noch einige Ergänzungen von uns, die sich aus der Erklärung der Flüchtlinge nicht erschließen, um wenigstens die krassesten Widersprüche der staatlichen Version aufzuzeigen:

Trotz aller dieser Widersprüche und Unzulänglichkeiten wurde eine Haftbeschwerde abgelehnt - die Staatsanwaltschaft ist entschlossen, den Täter Safoan Eid festschreiben zu wollen. Seit Solingen darf es keine rassistischen Brandanschläge mehr geben. So ist es kaum verwunderlich, wenn in Hattingen die türkische Frau Ünver, nach dem ihr Haus 1993 in Brand gesteckt wurde, als Täterin enttarnt und vor Gericht gestellt wird. Nach fast drei Jahren Vorverurteilung wurde sie im März 1996 von dem Tatvorwurf freigesprochen. Festgestellt wurde stattdessen, was Betroffene von Anfang an gesagt hatten. Der Brand wurde durch von außen eingedrungene Personen gelegt.