INTRO

Lange hat sie auf dem Sprungbrett gekauert und die günstigste Gelegenheit abgewartet zum Sprung - ein Blick auf den Kalender hat uns dann auf die Idee gebracht. Gedacht, getan - der Sprung der Ente wurde genau getimet, wir wollen nicht verhehlen, daß das terminieren der Ersterscheinung dieser Nummer auf das entenhistorische Datum 13.6. uns ein besonders diebisches Vergnügen bereitet hat (Zwar werden die wenigsten die radi sich an diesem Tag bereits holen, aber so ist das halt mit Symbolismen, manche sind unscheinbar).

Trotz den ganzen Observationen, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und angedrohten Verfahren, etc. des letzten Jahres haben sie es nicht geschafft, die radikal zum Abtreten von der Bildfläche zu zwingen.

Da hatten sie eigens die Sonderkommission “Schwan” ins Leben gerufen (auch die Bullen haben anscheinend manchmal den Hang für`s Humoreske, deswegen schwimmen auch 2 Schwäne in dem Bottich auf der Seite 2) um der kleinen Ente stellvertretend für viele Organisierungsansätze der radikalen Linken den Garaus zu machen. Millionen haben sie verpulvert für ihre Gerätschaften, laut TAZ vom 20.5.96 eine der größten bisher bekanntgewordenen Observationsmaßnahmen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Mehrere Einsatzkommandos hetzten sie hinter einigen vermeintlichen MacherInnen der Zeitung hinterher, hörten Telefone ab, deponierten Kameras, etc. Diese Kommandos mußten sicherlich von anderen Aufgaben abgezogen werden, was anderen linken Gruppen hoffentlich etwas mehr Freiraum geschaffen hat, ihr subversives Tun weiter zu tätigen.

Aber was ist? Als Ergebnis mußten sie schließlich im Dezember bei der Aktenschließung kleinlaut feststellen, daß sie keinerlei Verbindungen zu anderen Organisierungsansätzen belegen können. Die BAW entschliesst sich auf Grund der fehlenden Verbindung zu RAF, RZ, etc der radikal das Gütesiegel “Unterstützung von terroristischen Gruppen” wieder zu entziehen und es bei profaner “Werbung” zu belassen. Weiterhin aber bleibt der Vorwurf, wir seien eine “kriminelle Vereinigung”. Diesen kleinen, aber trotzdem stinkenden Fisch geben die Karlruher Bundesanwälte dann an ein Oberlandesgericht in Koblenz ab. Der dortige Staatsanwalt hockt derzeit über der Erstellung der Anklageschrift und muß sich nun überlegen, wie er das alles über die Runden kriegen soll.

Zu dieser Ausgabe:

Zwei Kritiken an dem Konzept der radikal sind im Februar und März veröffentlicht worden. Zum einen ein “Offener LeserInnenbrief” von “Robbi, Tanja und das Fliewatüüt”, abgedruckt in der Interim Nr.364 vom 22.2.96 und das Papier “Feministische Inhalte in der radikal” von “Einigen Lesben aus dem ID”, veröffentlicht im Bremer Kassiber Ausgabe vom Feb./März96.

Ursprünglich hatten wir für beide Beiträge in dieser Ausgabe einige Seiten vorgesehen - aber wie jedesmal stand kurz vor der abschließenden Planung der radi vieles zur Disposition, weil wieder mal fast doppelt soviel zur Auswahl stand. Da wir eh nach dieser Nummer unser Zeitungskonzept (organisatorisch und inhaltlich) einer eingehenderen und intensiveren Prüfung unterziehen wollen, halten wir es für sinnvoller, alles in einem Aufwasch zu erledigen. Da sich in letzter Zeit so viel bewegt hat und auch für uns sich einiges verändert hat, steht schon deshalb eine Neubestimmung an, schließlich ist die radi nie etwas festes, sondern bestimmt sich durch diejenigen, die in ihr wirken.

Ihr werdet also voraussichtlich im nächsten Heft einen längeren Block zur internen Zeitungsdebatte vorfinden, in der dann auch die Kritiken vorgestellt werden. Welchen, die diese schon vorher lesen wollen und nicht wissen wie sie an die Beiträge kommen können, schicken wir sie zu. Und überflüssig zu sagen, daß wir noch mehr Kritik hören wollen, oder?

Geübten radi-LeserInnen wird beim schnellen Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses aufgefallen sein, daß dort die O.L.G.A. fehlt. Jene Brigade hat den Spruch “Mut zur Lücke”, mit der wir uns das letzte Mal auf der Rückseite verabschiedet hatten, allzu wörtlich genommen und beharrte darauf, mal eine Nummer Pause machen zu wollen. Nur so, haben sie uns versichert, können sie sich die Frische erhalten, um das nächste Mal wieder mit neuer Energie mit von der Partie zu sein.

Jetzt kommt mal ein Werbeblock:

Die radikal ist ein Projekt mit mittlerweile nicht zu unterschätzender Kontinuität, dabei durchschritt sie mehrere verschiedene Phasen. Diese werden dargestellt in einem jetzt erschienenen Buch “20 Jahre radikal”, das als Gemeinschaftsprojekt von 4 Verlagen im Mai erschienen ist. Wir können es euch nur empfehlen. Nicht nur, weil 2 Genossen von uns einen Geschichtsabriß der verdeckt produzierten radikal geschrieben haben, sondern auch, weil ehemalige Genossinnen, die früher in der radi mitgearbeitet haben, ihre Zeit resumiert haben.

Aber damit nicht genug - bekanntlich hatte die radi auch eine legale Zeit, die in zwei Artikeln in dem Buch erzählt wird. Eine Zeit, die zwar mittlerweile im Gesamten gesehen kürzer als die illegale war, aber deswegen nicht weniger interessant. Vieles kannten wir auch nicht, insofern lesen sich diese Abschnitte auch für uns wie ein GdV in Sachen “radi”. .

Auch auf die Entwicklung politischer Zensur wird eingegangen, auf den Stand autonomer und linksradikaler, sowie radikalfeministischer Medien.

Das Buch kostet 29,80 Mark und ihr solltet es euch bestellen, denn so schnell werden sich nicht mehr welche von uns über ihre Geschichte ausbreiten. Außerdem gibt es noch ein Plakat, kostet 10 Mark, und gehört in jedes Kommunikationszentrum. Wenn euch das alleine zu teuer ist, fragt bei FreundInnen rum und bestellt euch zusammen ein Buch. Auch das “P.S.” der HerausgeberInnen wollen wir euch nicht verschweigen:

“Fünf Mark für jedes verkauftes Buch und alle Überschüsse aus den Plakateinnahmen gehen an einen Solifonds; die Verlage verdienen nichts dran.

” Bestellen könnt ihr das Buch bei einem der folgenden Verlage:

Verlag Libertäre Assoziation
Lindenallee 72
20259 Hamburg

Unrast Verlag
Postfach 8020
48043 Münster

Verlag der Buchl. Schwarze Risse/Rote Straße
Gneisenaustr.2a
10961 Berlin

Edition ID-Archiv
Postfach 360205
0972 Berlin

Keine Appelle mehr:

Sowohl in jenem Buch, im Intro der Nummer 153 sowie in dem Flugi nach den Durchsuchungen haben wir immer großen Wert darauf gelegt, daß das Weiterbestehen der radi euer aller Ding sein müsste.

Das stimmt sicher weiterhin, was die politische Bestimmung der Zeitung betrifft - und so waren diese Apelle auch gemeint. Wir wollen und wollten eine Diskussion über linksradikale Medienarbeit. Ob und wie die radi aber weitergeht, hängt trotzdem letztenendes vor allem von all den Leuten ab, die sich entschlossen haben, für das Projekt aktiv zu powern. Das ist unsere Erfahrung aus mehr oder weniger vielen Jahren radi-Produktion. Wir werden also wieder voll auf die eigene Kraft vertrauen und hoffen, daß diejenigen, die uns dadrin unterstützen wollen, Mittel und Wege finden, uns zu erreichen oder sich sonst solidarisch einbringen.

Der Buchbeitrag von den 2 Genossen sollte die Zeit bis zu dieser Nummer erstmal abschließend beschreiben, ab jetzt beginnt wieder ein neues Kapitel, über das wir hier noch keine weiteren Worte verlieren wollen.

Was fehlt:

Es ist uns ein besonderes Anliegen darauf hinzuweisen, daß die radi-Gruppen nicht etwa auf dem Mond leben, aber es dennoch nicht geschafft haben z.B. zu den wendländischen Riots und Aktionen etwas ins Heft zu nehmen. Wir begrüßen auf das Schärfste die Kontinuität des Widerstandes vor Ort in Gorleben und rufen zu zahlreicher (nicht nur vor Ort) Beteiligung zum x3-Spektakel auf.

Auch zu den illegalen Häuserräumungen eines Generallisimo Schönbohm in Berlin (der neue Innensenator, ein Ex-General. Berlin zeigt damit Militarisierung der Politik in Reinkultur, die offenbart, daß für die nächste Zeit die politischen Konzepte abhanden gekommen sind) sowie über die 1.Mai-Demos fehlt hier eine bundesweite Information. (Jaja, die fehlende O.L.G.A.)

Was wir richtig vermißten, ist ein Eingehen auf und Einschätzen der gesamten Sozialkürzungen und der Möglichkeiten, wie sich der punktuelle Unwillen darüber in einem massiveren, wilderen und unkontrollierbareren Straßenprotest entwickeln kann, und wie die radikale Linke darauf Einfluß nehmen kann. Wir arbeiten dran. Wir verweisen darauf, daß zumindest in 2 Erklärungen militanter Gruppen in diesem Heft auf die Konfrontationslinien eingegangen wird.

Quak

Zu guter Letzt noch der Hinweis, daß die nächste “radikale Zeiten” sicherlich bald erscheint oder gerade erschienen ist. Die rZ ist die Zeitung der bundesweiten Solibewegung.