ANSCHLAGSBRETT

Offensichtlich kein Anschlag auf Bretter, oder angeschlagene Bretter, sondern eine neue Rubrik in dieser Zeitung. Eine, die zudem kontinuierlich erscheint und viel Raum für eure Beiträge bietet. Es wird jeweils zwei Bereiche geben, die Teile dieser Rubrik sind. Zum einen gibt es einen Informationsteil, eher das Brett, wo Berichte über Aktionen im Antifabereich oder andere Infos, die ihr an andere loswerden wollt wie Technix oder ähnliches, angeschlagen werden.

Für diesen Bereich ist eure Beteiligung besonders gefragt. Also nicht nur aktiv werden, sondern auch darüber schreiben! Der zweite Teil will inhaltliche Diskussionen und Positionen darstellen. Eher auch konkrete Anschläge inhaltlicher Art verbreiten und eurer Kritik aussetzen! Wir wollen über das Geschriebene mit euch streiten. Auch hier erwarten wir rege Beteiligung entweder zu schon erschienenen Texten oder zu im Vorfeld angekündigten Themen.

In jedem Fall seid ihr um eure Meinung gefragt, beide Teile des ANSCHLAGBRETTs werden interessanter, bunter und lebendiger, je mehr von euch kommt!

Identität und Kampfkultur

Reiseberichte vom Weg in eine freie Welt

Diese neue Reihe wird versuchen, in dauerhaften Beiträgen Themen zur Diskussion zu stellen, die wir als Teil der revolutionären Linken für eine linksradikale Perspektive elementar wichtig finden. Die Entwicklung dieser ist Ausdruck einer wechselseitigen Auseinandersetzung, die wir als "Dialektik des politischen Handelns" bezeichnen. Darunter verstehen wir eine Rangehensweise, bei der Theorie und Praxis nicht nur miteinander verknüpft werden, sondern das eine das andere unmittelbar bedingt. Aus der Diskussion muß sich ein Handeln ergeben, die Handlung hat ihre Relevanz nur auf einer theoretischen Basis.

Darüber hinaus sehen wir eine wechselseitige Verbindung zwischen der Analyse gesellschaftlicher Bedingungen und einer Verortung der revolutionären Linken in diesen. Das Benennen und Erkennen der Widersprüche, die sich daraus ergeben, sind hierbei notwendige Voraussetzung, um eine Perspektive entwickeln zu können. Also wird sich auch diese Reihe an bestehenden Widersprüchen orientieren. Widersprüche und Unterdrückungsstrukturen sollen hier nicht nur als Herrschaftsformen verstanden werden, gegen die wir ankämpfen, sondern produzieren auch Spannungsverhältnisse, in welchen wir uns als Teil der Linken befinden. Die Wechselwirkungen, die sich aus diesen Widersprüchen ergeben, einerseits gegen die Strukturen ankämpfen zu wollen und andererseits diese selbst in Teilen zu produzieren und reproduzieren. Dieses erschwert zwar die Analyse, weil in dieser Logik liegt, daß wir selbst widersprüchliche Haltungen leben. Diese Widersprüche zeigen aber auch die Notwendigkeit von Auseinandersetzung auf und bestimmen die inhaltlichen Punkte, die diskutiert werden müssen. Diese Auseinandersetzung muß dabei ein Prozeß der Entwicklung von Positionen sein, weshalb es nicht die eine richtige geben kann. Einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit haben wir nicht.

Was wir nicht hinnehmen wollen, ist die Ideenlosigkeit (im Sinn einer Utopielosigkeit) die wir immer wieder mitkriegen und die eine Diskussionskultur bzw. eine Lust auf Auseinandersetzung immer wieder lähmt.

Auch unsere Rangehensweise ist demnach als Entwicklungsprozeß zu sehen.

Ursprünglich war unsere Intention, vier Dimensionen einer für uns relevanten inhaltlichen Ausrichtung miteinander zu verknüpfen: eine historische Betrachtung von linken Kämpfen in der BRD seit den 60ern, unsere ganz konkreten Erfahrungen als Teil der radikalen Linken aus den letzten Jahren, eine Bestandsaufnahme vom Zustand der Linken heute. Und letztlich aktuelle Fragestellungen, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen und deren Beantwortung ihre Umsetzung in der Praxis erfahren muß. Der Artikel in dieser Ausgabe hat seinen Schwerpunkt klar auf der letzten Ebene, weil es hier an einer praktischen Konsequenz besonders mangelt und weil die Geschichte zwar lehrt, aber nicht zum Nicht-Diskutieren und Nicht-Handeln führen darf. Wir denken, daß die Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen eher dazu dient, Neues anzustoßen. Wenn sich eine Linke angeregt. aufgeregt provoziert sieht. muß auch einer Diskussionskultur Raum gegeben werden, die Optionen bietet für eine Weiterentwicklung.

Militanter Widerstand

Eines unserer Themen verbindet sich direkt und ganz konkret mit unserer Geschichte, nämlich der der Frage nach Militanz, bzw. mit der Frage, nach einer Perspektive von Militanz. Wir finden dieses Thema wichtig, weil wir Militanz als notwendiges Mittel im Kampf gegen das System sehen, aber immer weniger konkrete Auseinandersetzung darüber mitbekommen bzw. selbst führen.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, was dieser Begriff beinhaltet und wie er sich von anderen Formen von Aktionen unterscheidet. In diesem Zusammenhang soll Militanz die Aktionsform sein, die als kämpferische Strategie zu sehen ist und die wir hier definieren als Mittel, das die Anwendung von Gewalt beinhaltet. Sie ist allerdings nur eine Form von Kampfkultur neben anderen und ist klar abzugrenzen von als solchen definierten "gewaltfreien" Aktionen. Wir sind uns aber auch bewußt, daß der Begriff der Gewalt immer wieder unterschiedlich gefüllt wird. Diese begriffliche Unsicherheit überträgt sich auch ein Stück weit auf unseren Militanzbegriff in diesem Artikel. Deutlich wird dieser Zusammenhang bei Aktionen, die wir militant nennen würden, die aber von den Menschen selbst die sie durchziehen, als gewaltfrei bezeichnet werden (z.B. Menschen, die sich auf Gleisen festbetonieren.).

"Abschließend noch eine Bemerkung um spezifischen Deutschen Militanz- und (damit korrespondierend) Bewaffneten Kampf-Fetisch. Das fängt mit dem Militanzbegriff an, der in anderen Sprachen den politischen Kampf, und nur im Deutschen den gewaltsamen politischen Kampf meint. Das setzt sich dann fort in der Gleichsetzung: Mililitanz und Bewaffneter Kampf = revolutionär! alles andere = reformistisch. Wo das herrührt, scheint uns relativ klar: Aus der Auseinandersetzung mit der Deutschen Vergangenheit, d.h. mit der weitgehenden Nichtexistenz bewaffneten Widerstandes gegen die Nazis.

Nichts desto trotz muß diese Unterscheidung reformistisch / revolutionär vor allem an den Inhalten und weniger an den Formen des politischen Kampfes festgemacht werden. "

{Zitat aus: Wenn die Nacht am tiefsten...ist der Tag am nächsten. einige RZlerInnen, März 92)

Wichtig zu betonen ist dennoch, daß nicht jede Form von Gewalt unserem Verständnis von Militanz entspricht. Es ist notwendig, genau die Mittel abzuwägen und zu beschreiben, worum es bei diesem Angriff geht. Uns ist dieser Punkt besonders wichtig, weil es nicht darum gehen kann, eine neue Kultur von "Mackermilitanz" zu kreieren, in der nur die Härtesten die Tollsten sind, sondern weil es vielmehr darum geht, politische Utopien, welche die Anwendung von Gewalt an sich ablehnen und für eine Gesellschaft ohne Gewalt eintreten, zu benennen und trotzdem die Notwendigkeit einer militanten Praxis zu sehen. Das heißt, natürlich sind Hemmschwellen da und es ist gut, daß es sie gibt! genau das muß unsere Politik und unsere Strategie unterscheiden von der Gewalt des Systems und der Gewalt der FaschistInnen!

So radikal wie die Wirklichkeit...

Festzustellen ist zunächst, daß wir radikalen Linken ganz schön aus der Übung sind, sowohl mit Diskussionen um militante Praxis und erst recht mit ihrer Ausübung. Unserer Meinung nach hat das mehrere Gründe: Diskussionen um Militanz sind nicht zu trennen von Diskussionen über linke Inhalte und Positionen allgemein. Ein notwendiges Ergebnis aus diesen Auseinandersetzungen sind klare antagonistische Positionen zum Staat. Antagonismus heißt, aus der Erkenntnis, den Prozeß der Verwertung, der Ausbeutung, Herrschaft und Unterdrückung als System zu benennen in dem ein menschenwürdiges Leben nicht möglich ist, Widerstand zu entwickeln. (Faschismus kann demnach nur eine extreme Äußerung dieses Systems sein, Antifaschismus muß also integraler Bestandteil revolutionärer Politik sein und darf sich nicht auf reine Anti-Nazi-Politik beschränken.) Linksradikale Utopien, die auf eine Gesellschaft ohne Herrschaftsstrukturen und auf ein 1.eben in Selbstbestimmung und Freiheit ausgerichtet sind, lassen sich in das bestehende System nicht integrieren. Die Einsicht, dieses als solches erst abschaffen zu müssen, damit aus einer revolutionären Situation etwas Neues entstehen kann, muß letztlich zu Widerstand fuhren, der das herrschende System als solches angreift.

Wenn wir von diesem Grundkonsens links-radikaler Utopien ausgehen, stellt sich die Frage, inwieweit sich tatsächlich die heutige radikale Linke in diesem wiederfindet. Oder ist sie längst befriedet in den Nischen, die in den letzten 15 Jahren durchaus radikal erkämpft wurden, heute allerdings nur noch auf Erhalt ausgerichtet sind? Die Zentren, die damals in politischen Kämpfen erstritten wurden, dealen heute um "legale" Mietverträge oder sind zu reinen Konsumtempeln für Technokids geworden.

Militanz darf sich demnach nicht allein gegen Nazis richten, obwohl das im Zeitalter von Aufmärschen mit 5 000 FaschistInnen auch angesagt ist. Wenn es aber so ist, daß dieses Verhältnis zum System lange schon nicht mehr klar ist, müssen wir eine neue Diskussion darum führen. Denn notwendig ist es mehr denn je Notwendig ist außerdem, Militanz als Teil einer linken Strategie zu diskutieren. Strategie meint hier die Sichtweise, wie wir den Kampf gegen diesen Staat, dieses System führen.

Einen Staat, der seine Großmachtpläne inzwischen wieder ungehemmt ausleben kann und der dabei über Leichen geht. Ein System, das einen roll-back in jedem Bereich forciert und lanciert. Dieser Widerstand braucht Strategien und diese müssen wir entwickeln.

Dabei stellt sich vielleicht gar nicht mehr so sehr die Frage, ob Militanz oder nicht, denn daß das System nicht freiwillig abtritt oder

Teilbereiche abgibt, wissen wir schon lange. Eine Nischenpolitik, wie wir sie die letzten Jahre betrieben haben, kann kein Weg sein, in einem System, das aus Ausbeutung besteht und in dem die Linke ein Teil dieses Scheins von Demokratie ist, kann es keine Inseln, keine Wischen geben. Sinn dieser "Befriedung" ist einzig und allein, uns ruhig zu stellen und Widerstand zu verhindern. Eine "Deeskalation" gibt es nur, wenn der Staat es will, dabei werden Spielregeln und -räume vom Staat festgelegt und willkürlich angewendet.

Auch eine Politik der "Scheinmilitanz", erkennbar an Helmen im Schwarzen Block von Demonstrationen, die der Befriedung willen letztlich mit dem Ordnungsamt abgesprochen werden, kommt dem Staat nicht in die Quere, sondern fördert ein Klima von Stillhalten. Marionetten des Staates, das sind wir!

Brechen wir aus diesem Marionetten-Dasein aus und leisten wir Widerstand!

Ein weiterer Punkt ist uns wichtig: Daß die Diskussion um Militanz so gut wie gar nicht präsent ist, liegt sicher nur zum Teil daran, daß militante Praxis an sich selten stattfindet. Eine weitere Ursache ist unseres Erachtens, daß diese auch kaum bekannt wird. Außer in einschlägigen Blättern ist zumindest bundesweit kaum eine kontinuierliche Prags nachvollziehbar. Nicht in allen Fällen gibt es BekennerInnenschreiben, teils aus

der Überlegung, den Bullen so wenig Anhaltspunkte wie möglich zu geben, teils aus Bequemlichkeit. Wir finden das falsch! Linke Politik und Aktionen müssen diskutierbar sein und sind nicht geeignet, Spekulationen Vorschub zu leisten! Deshalb: Es ist absolut

notwendig, militante Aktionen innerhalb der eigenen Zusammenhänge bekannt zu machen, um nicht nur die Aktion selbst, sondern auch ihren transportierten Inhalt diskutierbar zu machen!

Wenn kaputt wir Spaß

sisyphus Unserer Meinung nach kann Militanz fünf Stoßrichtungen haben:

  1. Polarisierung der Gesellschaft

    Eine offensiv nach außen getragenen politische Strategie, die den konkreten Angriff gegen das System zum Ziel hat, wird letztendlich dazu führen, die Gesellschaft zu zwingen, sich in irgendeiner Form zu verhalten und Stellung zu beziehen. Das heißt, es wird die Möglichkeit gegeben, sich mit den INHALTEN zu solidarisieren und auf allen Ebenen das System zu entlarven! Natürlich heißt das auf der anderen Seite auch, daß sich all die StammtischrassistInnen und -faschistInnen klarer zeigen und die Stimmen, die das ausbeuterische System begrüßen und von ihm profitieren, lauter werden im Kampf gegen uns. Aber auch dieser Gesichtspunkt ist als konstruktives Element zu betrachten, weil er bisher subtilere Formen dieses Systems als existente Strukturen deutlich werden läßt. Und um eben diese geht es im antifaschistischen Kampf. Nicht jede einzelne BürgerIn, die/der in ihrem/seinem fachistoiden Dunst taumelt, kann Angriffsziel militanter Praxis sein (von einzelnen FunktionsträgerInnen abgesehen), sondern es geht darum, die Strukturen, deren Auswüchse rassistische oder faschistische oder sexistische Lebensformen sind, zu bekämpfen.

  2. Sand ins Getriebe

    Wenn es gelingt, Schwachpunkte des Systems oder/und der kapitalistischen Wirtschaft zu treffen, hat dieses zur Folge, daß in Reparatur und in Neuanschaffung Geld gesteckt werden muß. Hierdurch kann eventuell der Prozeß der Ausdehnung und Verschärfung verlangsamt bzw. in Einzelfällen durchaus auch gestoppt werden. Ein Beispiel für diese Strategie ist die Sprengung des Knastes Weiterstadt, durch die die Nutzung dieses verhindert wurde. Die Möglichkeiten, die sich in solchen Überlegungen anbieten gehen neben gezielten Anschlägen von Sabotage in der Produktion bis zu einem alltäglichen "Bürgerlichen Ungehorsam". Das Ziel dieser Strategie ist die Reibungslosigkeit des Apparates in seinem Ablauf zu unterminieren.

  3. Mobilisierung

    Gezielter Angriff kann eine mobilisierende Wirkung auf andere Teile der Bevölkerung inklusive andere Teile der Linken haben (siehe Castor). Das heißt, im besten Falle wird sich der politische Kampf ausdehnen und andere Kräfte entfalten.

    "Selbstverständlichkeit der Herrschaft, Unvermeidlichkeit der entfremdeten Arbeit, Unabänderlichkeit der gesellschaftlichen Verelendung - diese auf dem Kompost unterdrückter Zweifel und verdrängter Hoffnung gedeihenden Giftkräuter - begannen im Sturm der Rebellion zu welken. Unter dem Bann der befreienden Tat öffneten sich die Massen plötzlich politischen Theorien und Lösungen, die sie eben noch leidenschaftlich - aggressiv von sich fernhielten. "

    (Zitat: Über den bewaffneten Kampf in Westeuropa, RAF, Mai 71)

  4. Informationsbeschaffung

    Quellen der Information sind oft nicht frei zugänglich oder rücken schwer mit der Sprache heraus. Oft ist es aber sinnvoll oder notwendig, an diese Informationen ranzukommen. Hier kann militante Praxis oft nachhelfen, sei es in die Druckerei der Jungen Freiheit einzudringen, sei es einen Faschisten näher zu befragen.

  5. Demoralisierung

    Wirkt nicht immer, aber manchmal ist die demoralisierende Wirkung von militanten

Aktionen, besonders wenn sie kontinuierlich und beharrlich sind, nicht zu unterschätzen. Ob es sich hierbei um FaschistInnen handelt, die wiederholt angetroffen werden oder um "Sachschaden", was oft angegriffen wird, ist auf jeden Fall genervt!

Anwendungen, Risiken und Nebenwirkungen

Wir müssen uns zunächst fragen, wie soll diese militante Praxis aussehen, wie muß sie organisiert sein, nach welchen Kriterien muß entschieden werden und wie kann sie in andere Diskussionen eingebettet sein. Wollen wir als Bewegung nun Militanz ausüben, um strategische Erfolge zu erzielen und gesellschaftliche Verhältnisse zu polarisieren, müssen wir uns überlegen, wie das Handeln -- die Intervention - an sich zum Ausdruck bringt, daß es um Emanzipation, um Befreiung geht. Es sind für solche Ergebnisse kontinuierlich entwickelte Strukturen unumgänglich, die der Verantwortung, militant zu kämpfen, gerecht werden. Deren kleinste Teile, die Genossinnen und Genossen, müssen einen klaren Standpunkt zu Konspirativität und dem Umgehen miteinander in solchen Strukturen haben. Das impliziert auch, einen Diskussionsrahmen zu schaffen, in dem Ängste, Kräfte, Schwächen und Unterschiedlichkeiten einen Raum haben.

"Ihr mußt euch gegenseitig wirklich kennen, ihr mußt euch absolut vertrauen können und in langen, ausführlichen Diskussionen und Erfahrungen vereinheitlichen. Entscheident ist, daß ihr dabei nie Leute unter moralischen oder physischen Druck setzt, das kann nur schief gehen und verdammt gefährlich werden. "

(Zitat: Revolutionärer Zorn Nr. 5. Praxis Sondernummer 1987)

Nicht deutlich genug kann hier betont werden, daß gemeinsamer Kampf auch Verantwortung bedeutet! Verantwortung gegenüber den anderen, die an Aktionen teilnehmen, wobei sich immer noch die Aktionsform an der schwächsten Person orientieren muß; Verantwortung auch gegenüber der Restlinken, die immer als ganzes Angriffsziel der StaatsschützerInnen ist. Die Diskussion um mögliche Repression muß deshalb auch immer Teil der Auseinandersetzung sein, gerade auch, weil die Wirkung einer Aktion oft nicht kalkulierbar ist oder sie über das eigentliche Ziel hinausgehen kann (erinnert sei hier an den "Fall Kaindl"). Die Verantwortung hört mit der Aktion nicht auf sie besteht auch weiter, egal ob ich oder andere von Repression betroffen sind. Denn letztlich kann es nicht darum gehen, einen neuen "Heldenmythos" von bewaffneten "Kampfeliten" zu schaffen, sondern es geht um den Kampf um ein menschenwürdiges Leben für alle. Das heißt auch, daß ihr die Verantwortung für das, was ihr tut, zu übernehmen habt. Gefährdung unbeteiligter Dritter muß ausgeschlossen werden. "Gerade die Möglichkeit, Leben zu gefährden, zwingt uns."zu besonderer Verantwortlichkeit" ('Zitat: rote Zora, Interview, Juni 84)

Oft stellt sich das Problem, daß gerade 'Neuere" in militante Aktionen reingedrängt werden. Hier haben Menschen mit Erfahrung nicht nur die Aufgabe, ihr Wissen und ihre Erfahrung zu vermitteln, sondern auch vorzuleben, daß Militanz alleine nicht identitätsstiftend sein kann und darf.

Die Strategie - Militanz - muß in genau der Art und Weise, wie sie angewendet wird, transparent und damit diskutierbar sein. An dieser Stelle sei noch einmal auf die Bedeutung von Bekennerlnnenschreiben hingewiesen!

In diesem Sinne ist die Diskussion um Militanz nur verantwortlich geführt, wenn es eine kontinuierliche Wechselwirkung gibt: von einer allgemeineren Militanzdiskussion, wie wir sie anregen wollen, innerhalb der revolutionären Linken, zu der besonderen, konkreteren innerhalb des Zusammenhangs, der sich für eine militante Praxis entscheidet.

Verantwortung für Kritik, Diskussionsbeiträge, Weiterentwicklung und Entscheidung haben alle. Insofern muß die Wechselwirkung organisiert werden, darüber geredet werden, in welchem Rahmen sie möglich ist, damit sie solidarisch und kontinuierlich geführt wird, aber sie muß auch lebendig und vielfältig sein. Widersprüchlichkeiten müssen als solche benannt werden dürfen.

Tips, Trix und Anregungen für antifaschistische militante Praxis

Wir befinden uns in der relativ neuen Situation, mit Faschoaufmärschen konfrontiert zu sein, die aus dem Dunstkreis der NPD/JN mehrere tausend FaschistInnen auf die Straße kriegen. Bundesweite Mobilisierungen von Antifas (siehe auch den Infoteil dieser Rubrik) sind sicher sinnvoll und schaffen es auch punktuell, diesen Aufmärschen militant zu begegnen. Doch ist es notwendig, alternative Konzepte durchaus zu diskutieren. Daher wollen wir die vorangegangenen Bemerkungen zu Sinn und Perspektive militanter Praxis verknüpfen mit einer Diskussion um eben andere mögliche Aktionen.

Wir haben uns ein fiktives Beispiel gewählt, welches sicher übertragbar ist auf Situationen, die wir entweder bereits erlebt haben oder die in näherer Zukunft absehbar sind:

Die NPD/JN haben seit einem längeren Zeitraum, vielleicht seit einem Jahr, eine Demonstration in der Stadt L. angemeldet. Dieses ist bereits ein Szenario, welches seit einiger Zeit bekannt ist, weil gerade in der näheren Vergangenheit solche Aufmärsche mit mehreren tausend FaschistInnen stattgefunden haben. Daher ist auch jetzt mit einer größeren Zahl dieser zu rechnen. Die radikale Linke hat sich entschieden, bundesweit dorthin zu mobiliseren mit dem Ziel, den Aufmarsch zu verhindern. Also reist alles, was dazu in der Lage ist, in die Stadt L. in der Hoffnung, den FaschistInnen dort militant begegnen zu können. Bis kurz vor dem Aufmarsch ist nicht klar, ob es ein Verbot gibt oder ob er genehmigt wird. In letzter Minute beschließt das Oberverwaltungsgericht, den Aufmarsch zu gestatten. Soweit die Rahmenbedingungen.

Die bundesweite Mobilisierung soll an dieser Stelle erst einmal als sinnvoll betrachtet werden, aber ist unserer Meinung nicht geeignet, den Aufmarsch wirklich zu verhindern. Dabei gibt es auch andere Alternativen.

FaschistInnen kommen nicht aus dem Nichts, sie haben eine zumeist bekannte Adresse und bekannte Zentren. Wenn nun davon auszugehen ist, sie sind an diesem Tag aller Wahrscheinlichkeit nach on the road, bedeutet das zugleich, sie sind nicht zu Hause. Was liegt näher, als diesem einen Besuch abzustatten. Faschistische Zentren sind eine Quelle der Information, die anders nur schwer zu beschaffen sind. Außerdem ist es vielleicht eine geeignete Möglichkeit, faschistische Infrastruktur wirkungsvoll und nachhaltig zu zerstören. Wenn alle oben beschriebenen Schritte eingehalten werden, ist die Heimkehr der FaschistInnen nicht unbedingt ein positives Erlebnis.

Eine andere Möglichkeit, einzelnen FaschistInnen die Fahrt zum Aufmarsch zu erschweren, ist der gezielte Angriff auf Abreisende. L. liegt für viele erst einmal mehrere Fahrtstunden entfernt, weshalb es bei körperlicher Versehrtheit unter Umständen unerträglich werden könnte.

Außerdem ist es nach wie vor so, daß Busunternehmen solche Aufmärsche erst ermöglichen. Durch den Transport von FaschistInnen unterstützen sie direkt deren Aktionen. In vielen Städten ist es jedoch so, daß bekannt ist, welche Busunternehmen bereit und gewillt sind, FaschistInnen zu befördern. Beschädigungen und Außerkraftsetzen ihrer Gefährte und Büros könnte einige von ihnen zum Nachdenken anregen oder zumindest erst einmal Transporte behindern.

Diese Gedanken sind als Anregungen zu verstehen, die in den einzelnen Strukturen genau diskutiert werden müssen. Eine sorgfältige Vor- und Nachbereitung ist dabei unbedingte Voraussetzung.

Ziel ist es, daß es FaschistInnen erschwert werden muß, nach L. zu kommen, daß sie bereits im Vorfeld Schwierigkeiten haben, ihre Zentren dementsprechend zu sichern, falls sie überhaupt ein Busunternehmen finden, das sie nach L. fährt. Im Zusammenwirken mit einer bundesweiten Mobilisierung nach L. selbst kann so dieser Aufmarsch letztlich wirkungsvoll verhindert werden.

Und falls noch wer Fragen hat: Ne militante Linke kann als integraler Bestandteil einer revolutionären radikalen Linken Basis nur dann mit dieser korrespondieren, wenn's beide gibt!