Folgender Beitrag greift die in der letzten Nummer formulierte inhaltliche Kritik an der aiz auf und nimmt speziell den Bezug der aiz zu islamischen Befreiungsbewegungen unter die Lupe

Von der “Schönheit” des Islams

Einige Anmerkungen zu den willentlichen oder unwillentlichen Irrungen der aiz

Die Auseinandersetzung um die islamischen Bewegungen ist von einer Vielzahl von Klischees durchzogen, die insbesondere seit dem letzten Golfkrieg von den Medien in einer oft unerträglichen Weise kolportiert wurden. die Islamisten repräsentieren nicht den Islam und innerhalb der islamischen Gemeinschaft befinden sie sich deutlich in der Minderheit. Ihre Theorie und Praxis weicht teilweise sehr stark von den tradierten Glaubensinhalten ab. Auch die Diskussion der Linksradikalen zu dieser Thematik blieb von den Klischees nicht ganz unberührt und weist einige Eigentümlichkeiten auf, die insbesondere bei den aiz zu höchst fragwürdigen Positionen führten.

So z.B. schreibt die aiz in ihrem letzten Schrieb: “eine große zahl revolutionärer-islamischer Bewegungen: sie kämpfen u.a. in der peripherie der imperialistischen staatenkette eu-rußland-japan; ihre relevanz und einfluß nehmen derart zu, daß der imperialismus sie als herausforderung schlechthin betrachtet, weil die revolutionärer-islamischen bewegungen (...) im antiimperialistischen kampf der gegenwart die führungsrolle einnehmen, kann von einer epoche des islamischen widerstands gesprochen werden (...).” Diese Position ist keineswegs das Produkt einer eigenständigen analytischen Anstrengung, sondern in der Essenz das schlichte Plagiat der Position einiger US-amerikanischer Politikwissenschaftler, die den Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung nicht verkraften konnten und seither darum bemüht sind, das “Reich des Bösen” in der sogenannten “islamischen Welt” aufzufinden.

Die aiz unterzieht sich erst gar nicht der Mühe diese Position auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Will heißen, stellt sich nicht die Frage, ob es überhaupt zulässig ist, die “islamische Welt” als einen homogenen Brei anzusehen. Vielmehr setzt sie noch einen drauf und konstruiert eine islamische antiimperialistische Widerstandsfront die von “marokko bis ägypten, von palästina bis tschetschenien, von tschadschikistan bis zu den philipinen” reicht. Das Bedürfnis nach einer klaren und einfachen Weltsicht behält hier die Oberhand und getreu dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund, wird die selbstgebastelte Internationale der Islamisten zum wichtigsten Verbündeten.

“Die islamische Welt” ist eine Erfindung des Abendlandes und die Klischees, die das Material für dieses Konstrukt abgeben, reichen teilweise zurück bis in die Zeit der Kreuzzüge. Bereits zu diesem Zeitpunkt existierte die politisch-religiöse Einheit der Umma (1.islamische Gemeinschaft, 2.modernes säkularisiertes Verständnis des Begriffes im Sinn von “Nation”) nicht mehr. Vielmehr ist es weitaus zutreffender von den “islamischen Welten” zu sprechen. Bereits ein oberflächlicher Blick auf die Schia (si at Ali, die Partei Alis), zu der sich etwa 10% der etwa eine Milliarde Muslime bekennen, vermittelt einen Eindruck von der Vielfältigkeit der islamischen Strömungen, die in ihren Glaubensinhalten und Riten teilweise stark voneinander abweichen. So z.B. gehören die türkischen Alevi, die im Frühjahr des vergangenen Jahres durch den Aufstand in Istanbul in die Schlagzeilen der Medien gerieten, ebenso der schiitischen Strömung an, wie der überwiegende Teil der iranischen Bevölkerung. In ihrer Religionsauffassung unterscheiden sich diese beiden Gruppen erheblich. Die Alevi praktizieren ein sehr unorthodoxes Schiitentum, in dessen Riten der Alkoholgenuß eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Darüberhinaus tendieren die Alevi zu eher liberalen gesellschaftlichen Positionen. Nicht zuletzt deswegen wurden die Alevi in den letzten 2 Jahren, insbesondere in Istanbul, immer wieder Opfer der türkischen Sicherheitsbehörden. Die iranischen Schiiten praktizieren hingegen einen rigorosen Glauben. Das alltägliche Leben ist bestimmt von einer Vielzahl festgeschriebener Verhaltensregeln. Der Genuß von Alkohol ist streng untersagt und es existiert im öffentlichen Bereich eine strikte Geschlechtertrennung.

Angesichts der Heterogenität des Islams, die hier nur fragmentarisch dargestellt werden kann, ist es ein absurdes Unterfangen eine einheitliche antiimperialistische Strömung zu behaupten und selbst der Iran, bzw. die Politik der iranischen Regierung seit 1979 wird dem Dikutum der aiz nicht gerecht.

Die aiz besitzt offenbar nur rudimentäre Geschichtskenntnisse oder aber hat ein gestörtes Verhältnis zu jenen historischen Tatsachen, die in keiner Weise in Einklang zu bringen sind mit der konstatierten Bedeutung der “islamischen Revolution” im Iran für den derzeitigen “antiimperialistischen Kampf”.

Zunächst einmal sei darauf hingewiesen, daß die Revolution im Iran allenfalls als schiitische Revolution bezeichnet werden kann. 90% der weltweit lebenden Muslime sind Sunniten und der allergrößte Teil der gläubigen Sunniten ist kein Freund des totalitären Gottesstaates. Im Gegenteil: Viele Sunniten betrachten eine derartige Einrichtung als einen Akt der Häresie. Diese Haltung ist durchaus nachvollziehbar, wenn man sich die Eigenarten der zentralen Glaubensinhalte der schiitischen Revolution ansieht. Der schiitische Glaube basiert auf einer eschatologischen Vision. Die Gläubigen gehen davon aus, daß der seit Jahrhunderten entrückte zwölfte Imam, der lediglich bei den Schiiten als legitimer Nachfolger des Propheten angesehen wird, irgendwann zurückkehren wird, um das Gottesreich auf Erden zu errichten. Die schiitische Revolution nimmt dieses Ereignis vorweg und errichtet den Gottesstaat durch eine Stellvertreterherrschaft, die vom höchsten schiitischen Klerus ausgeübt wird.

Desweiteren sei in diesem Zshg. darauf hingewiesen, daß die iranische Revolution, die bereits 1977 begann, in ihrer entscheidenden Phase - der Entmachtung des Schahs 1979 - keineswegs eine rein schiitische Angelegenheit war. Die Opposition, die den Schah gestürzt hatte, war so breit und populär wie denkbar, sie vereinte Kommunisten und Sozialisten, bürgerliche Liberale und intelektuelle, verschiedene religiöse Splittergruppen und den gemäßigten und radikalen Flügel des schiitischen Klerus. Chomeini und seiner Anhängerschaft jedoch gelang es, alle anderen Oppositionsgruppen - in einem an Brutalität kaum zu überbietenden Vernichtungsfeldzug - nacheinander auszuschalten. Das neue Schlächterregime zog seine Macht aus der Fähigkeit große Volksmaßen zu mobilisieren und zu lenken. Chomeini mobilisierte die Massen mit der Hilfe von ca. 100000 Mollas, die in den Moscheen seine Reden und Aufrufe verbreiteten. Selbst die gut organisierte kommunistische Tudeh-Partei, die den größten Teil der Ölfeldarbeiter auf ihrer Seite wußte, konnte den Massenmobilisierungen des Klerus nur wenig entgegensetzen.

Die Außenpolitik der “islamischen Republik Iran” war lediglich in der Anfangsphase von formal antiamerikanischen (und antikommunistischen) Positionen bestimmt, denen man nur mit sehr viel Mühe das Prädikat “antiimperialistisch” zuerkennen kann. Sehr schnell erkannte der Klerus, daß kein Staat im Abseits der kapitalistischen Weltökonomie existieren kann. Die antikapitalistische Rhetorik wich nach und nach moderaten und pragmatischen Positionen, die sich deutlich in der Wirtschaftspolitik niederschlugen. Die ehemals sehr wichtigen Wirtschaftsbeziehungen zu den USA wurden nach und nach ersetzt durch den Aufbau von sehr engen Wirtschaftsbeziehungen zu den europäischen NATO-Staaten. Besonders bedeutsam sind mittlerweile die Wirtschaftsbeziehungen zur BRD. Die Bundesrepublik ist seit Jahren für den Iran der wichtigste Handelspartner. Die Verständigung zwischen beiden Staaten geht so weit, daß die deutschen Sicherheitsbehörden selbst geheimdienstliche Aktivitäten des Iran auf deutschem Staatsgebiet tolerieren. Der spektakulärste Fall, der diese Tatsache belegt, ist das vom iranischen Geheimdienst begangene “Mykonosattentat” bei dem ein hoher iranisch-kurdischer Exilpolitiker sein Leben verlor. (Unseres Wissens nach wurden dabei drei Leute erschossen, die Red.) Der Mord wurde in der iranische Botschaft geplant. Dieser Sachverhalt konnte eindeutig und unwiderlegbar vom BKA ermittelt werden. Jedoch blieben die Ermittlungsergebnisse ohne Konsequenzen, was die Herren vom BKA sichtlich irritierte, da die übergeordneten Sicherheitsbehörden das Belastungsmaterial systematisch ignorierten, um die überaus profitable deutsch-iranische Zusammenarbeit nicht zu gefährden.

Angesichts dieser Tatsachen ist es wohl kaum möglich dem Iran eine antiimperialistische Politik zu attestieren. Es sei denn, man beruft sich auf die zahlreichen terroristischen Aktivitäten, für die die iranische Regierung verantwortlich ist. Diese jedoch gelten in erster Linie mutmaßlichen Feinden der “Islamischen Republik”. Es trifft Kurden, die um ihr Selbstbestimmungsrecht kämpfen, Kommunisten und andere Oppositionelle, die mit den Verhältnissen im Iran nicht einverstanden sind. Es trifft Juden und viele andere Menschen, die den schiitischen Machthabern, aus welchen Gründen auch immer, ein Dorn im Auge sind. In diesem Zshg. den Begriff “Antiimperialismus” zu gebrauchen, beleidigt nicht nur die Opfer des Terrors, sondern der Gebrauch dieser Vokabel wirft auch ein zweifelhaftes Licht auf die Ideologie der aiz, die angeblich für “egalitäre” und “emazipatorische” Prozesse streiten. Doch dazu später mehr.

Ein weiterer Aspekt der iranischen Politik, der in diesem Zshg. unser Interesse finden sollte, ist der vom Iran ausgehende militante “Antizionismus”. Dieser bricht in eklatanter Weise mit der islamisch-jüdischen Tradition, die über annähernd 1400 Jahre ein friedvolles, gemeinsames Leben ermöglichte. Der Koran stellt die Juden ausdrücklich unter den Schutz des Islam. Er nennt sie dimmis dh. “Schutzbefohlene”. Die jüdische Religion wird als “Vorstufe” des Islams anerkannt. Spätestens die Kolonialisierung Palästinas durch die zionistische Bewegung setzte dieser Tradition ein jähes Ende. Der moderate politische Islam, wie er unter anderem von den Muslimbrüdern entworfen wurde, übernahm zu einem erheblichen Teil wesentliche Positionen des europäischen Antisemitismus. Eine große Ausnahme bildet in diesem Zshg. lediglich die PLO, die sehr darum bemüht war zwischen Judentum und Zionismus zu unterscheiden. Die übrige arabische Welt, will heißen: die politischen Führer, übernahmen unhinterfragt den Inhalt antisemitischer Hetzschriften. So wurden z.B. die “Protokolle der Weisen von Zion” ins Arabische übersetzt und in großer Auflage verbreitet. Die “Protokolle der Weisen von Zion” erschienen 1895 in Paris und sind das Werk einer in Paris stationierten Gruppe der zaristischen Geheimpolizei. Die “Protokolle” wurden geschaffen um einen “Beweistext” gegen die jüdische Bevölkerung vorweisen zu können, mit dessen Hilfe sich diskriminierende Maßnahmen begründen ließen. Das Buch ist eine grobschlächtige Fälschung, dessen “Geheimnisse” an Peinlichkeit nicht zu übertreffen sind. Unter den vielen “Geheimnissen”, die in dem Buch enthüllt werden, befindet sich z.B. die Erkenntnis, daß die Juden die Söhne des Adels zum Studium des Griechischen und Lateinischen veranlassen, weil das die beste Möglichkeit ist, ihre Sitte und Moral zu untergraben, und daß die Juden den Bau von Untergrundbahnen in den wichtigsten Städten Europas anordneten, damit sie, wenn die Zeit gekommen ist, jede Hauptstadt in die Luft sprengen können, die sich ihrer Herrschaft widersetzt. Trotz dieser Absurditäten hat das Buch einen ungeheuren Bekanntheitsgrad erreicht. Es gab zahllose Neuauflagen, die dafür sorgten, daß das Buch millionenfach verbreitet wurde. Sein Weltruhm begann mit der Oktoberrevolution 1917, als in dem darauffolgenden Bürgerkrieg die Weißrussen das Buch verbreiteten um deutlich zu machen, daß es sich bei der Oktoberrevolution angeblich um eine Verschwörung des “Weltjudentums” handelt. 1926 wurde die Schrift erstmals ins Arabische übersetzt, fand aber erst massenhafte Verbreitung nach dem ersten israelisch-arabischen Krieg in den 50iger Jahren. 1968 erschienen die “Protokolle” mit einem Vorwort von Shawqi Abd al-Nasir, dem Bruder des ägyptischen Präsidenten. Das Buch wurde öffentlich empfohlen von Nasser und Sadat, von König Faisal von Saudi-Arabien, von dem lybischen Obersten Gaddafi und verschiedenen anderen Monarchen, Ministerpräsidenten und sonstigen intellektuellen Führern. Seit den 80iger Jahren wird das Buch hauptsächlich vom Iran und von Saudi Arabien aus vertrieben.

Die Wirkungsgeschichte des Buches beschreibt das Ausmaß des Antisemitismus in der arabischen Welt. Die Existenz von Israel erscheint als das Produkt einer “jüdischen Weltverschwörung”, die weltumfassend die Existenz Israels garantiert. Der “Jude” wird mit Hilfe antisemitischer Hetzschriften als niederträchtig, verräterisch, bösartig und heimtückisch dargestellt und gilt als Hauptfeind des Islam.

Die Praxis der vom Iran maßgeblich unterstützten militanten Gruppen, die gegen Israel einen unerbittlichen Terrorkrieg führen, hat einen unübersehbaren antisemitischen Hintergrund. Der Kampf von Hamas, Islamischer Dschiad und Hizbollah richtet sich nicht mehr gegen den Zionismus sondern gegen die “Juden”, die man aus heutiger Sicht als die historischen Widersacher des Islams ansieht.

Die aiz scheint diese Tatsache nicht weiter zu stören. Es wäre zu hoffen, daß sie es einfach nicht wissen. Jedoch ist zu befürchten, daß der “Antizionismus” der islamischen Bündnispartner unterscheidet. Damit bewegen sie sich im ideologischen Brackwasser der Faschisten.

Die aiz kündigt an, daß sie in Zukunft ihre Aktivitäten “verstärkt in den Zusammenhang derjenigen stellen, die in militanter form auf revolutionär-islamistischer grundlage den imperialismus herausfordern”. Die Veränderung der antiimperialistischen Bewegung läßt sich angeblich besonders deutlich beim palästinensischen Befreiungskampf beobachten, dessen Rückrat die islamischen Gruppen bilden. Die “revolutionär-islamistischen” Grundlagen werden von der aiz nicht näher ausgeführt. Dies möchte ich an dieser Stelle nachholen, indem ich zumindest die Programmatik der wichtigsten islamischen Gruppe des palästinensischen Widerstands in ihren wesentlichen Positionen vorstelle.

Die größte islamische Gruppe innerhalb des paläs. Widerstands ist Hamas. Die politische und ideologische Orientierung der proiranischen Hizbollah will ich hier vernachlässigen, da es sich bei Hizbollah um eine schiitische Organisation handelt, deren Mitglieder sich aus der überwiegend schiitischen Bevölkerung des Südlibanon rekrutieren. Die Organisation wurde nach 1983 gegründet und die militärisch-ideologische Ausbildung wurde in den ersten Jahren von ca. 1000 aus Syrien eingeschleusten iranische Pasdaran (Pers. die “Wächter” der isl. Revolution) durchgeführt. Die Arbeitsmethoden dieser Truppe, die sich als der militärische Arm der schiitischen Revolution versteht, liegen im Bereich der Ausübung systematischen Terrors. Insbesondere die iranische Opposition hat durch den brutalen Terror dieser Truppe ungezählte Opfer zu beklagen.

Die Gruppe Hamas wurde während der Intifada von der paläs. Sektion der Muslimbruderschaft gegründet. Mit der Gründung von Hamas beendete die Muslimbruderschaft die selbst auferlegte Zurückhaltung im paläs. Widerstand gegen die israelische Besatzung. Bis zur Intifada sahen die Muslimbrüder ihr Hauptarbeitsfeld innerhalb der paläs. Gesellschaft. Die “Rückkehr” der Menschen zu den wahren islamischen Werten war hierbei das erklärte Ziel. Die Muslimbrüder wollten durch ihre Arbeit zu einem Machtfaktor innerhalb der paläs. Gesellschaft aufsteigen. Ihren Hauptkonkurrenten sahen sie in der damaligen paläs. Linken. Mehrmals lieferten sich die Muslimbrüder in den 80er Jahren blutige Auseinandersetzungen mit der Linken, die mit Wohlwollen für die Muslimbrüderschaft seitens der israelischen Besatzungsbehörden belohnt wurde. Nur äußerst selten wurden Islamisten angeklagt oder verhaftet. Der israelische Repressionsapparat verfolgte fast ausschließlich linke und nationalistische Kräfte.

Der Ausbruch der Intifada zwang die Muslimbrüder zu einem Kurswechsel. Durch die Gründung von Hamas wurden die Muslimbrüder binnen eines kurzen Zeitraumes zu einem bedeutsamen Faktor des paläs. Widerstandes. Hierbei richteten sich die Aktivitäten von Hamas keineswegs ausschließlich gegen die israelische Besatzungsmacht, der man mit der Losung entgegentrat: “Das Verschwinden Israels ist eine schon im Koran festgeschriebene Gschichtsnotwendigkeit.” In den besetzten Gebieten richteten sich die Aktivitäten von Hamas gegen den inneren “Feind” und diese sahen die Aktivisten oftmals in den paläs. Frauen, die während des paläs. Befreiungskampfes ihre eigene Emanzipation innerhalb der muslimischen Männergesellschaft durchgesetzt hatten. Hamas begann die allgemeine Verschleierung der Frauen durchzusetzen - im Weigerungsfall mit brutaler Gewalt.

Die Politik von Hamas orientiert sich streng an der Ideologie der Muslimbrüder, d.h. einer Bewegung, die bereits in der ersten Hälfte des 20.Jhd. die Reislamisierung der arabischen Welt anstrebte. Welche Positionen diese Ideologie hervorgebracht hat, läßt sich in der “Charta der islamischen Widerstandsbewegung Hamas” von 1988 nachlesen, die ich hier auszugsweise wiedergeben möchte:

Wenn Hamas schreibt, daß der Islam ihr Programm ist, so ist damit das islamische Programm gemeint, welches in den Grundzügen von dem Gründer der Muslimbrüderschaft Hasan al-Banna entwickelt wurde. Ein kleiner Auszug aus Hasan al Bannas Schrift: “Aufbruch zum Licht” soll verdeutlichen, wohin die Reise geht, sofern die Islamisten den Sieg davontragen: “Auf dem Gebiet des Sozialen und der Bildung. 1) Gewöhnung des Volkes an die Respektierung der öffentlichen Sitten; Aufstellung diesbezüglicher Instruktionen unter dem Schutz des Gesetzes und Verschärfung der Strafen für moralische Vergehen. (...) 6) Erziehung der Frauen in den Regeln weiblichen Anstands, um das flirt und gefallssüchtige Verhalten zu unterbinden. Verschärftes Augenmerk diesbezüglich im Blick auf Lehrerinnen, Schülerinnen, Ärztinnen, Studentinnen und ihresgleichen.”

Die Ideologie der Muslimbrüder bestimmt nicht nur die Praxis von Hamas sondern auch die Aktivitäten der ägyptischen Dschiad-Gruppe (Gamma at al-gihad), die ebenfalls von der aiz dem neuen anitimperialistischen Lager zugerechnet wird. Die Dschiad-Gruppe vollbringt sogar das Meisterstück den tradierten gihad-Begriff (ungefähr: Einsatz für die Sache Gottes) in einer Art und Weise umzubiegen, die jedem gläubigen Muslim die Haare zu Berge stehen läßt. Die Dschiad-Gruppe strebt einen offensiven Krieg gegen die Ungläubigen (gegen den inneren äußeren Feind) an und verläßt damit endgültig den traditionellen Islam.

Die vorausgegangenen Ausführungen sind sicherlich nicht geeignet ein umfassendes Bild von den islamistischen Widerstandsgruppen zu vermitteln. es handelt sich um Fragmente, die jedoch nicht nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Die Beispiele nehmen Bezug auf die Praxis der islamischen Widerstandsbewegungen, die die aiz als positive Beispiele anführt im Kampf um “Emanzipation” und “egalitäre” Strukturen. Auf die terroristische Praxis dieser Gruppen bin ich nur am Rande eingegangen, ging es mir doch darum, streiflichtartig die wesentlichen Ziele und religiösen Vorstellungen der Islamisten zu beleuchten. Das diese in keiner Weise mit den bisher gültigen Emanzipationsvorstellungen der radikalen Linken in Einklang zu bringen sind, bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung. Umso erstaunlicher ist die neue Strategie der aiz. Ihre selbstgewählten Bündnispartner mögen zwar ausgesprochen mutige Kämpfer abgeben, bewegen sich aber mit ihren Zielen und ihrer Praxis in einem Feld, indem es aus linksradikaler Sicht keine Gemeinsamkeiten geben kann. Im Gegenteil: Die Politik der Islamisten ist reaktionär, rassistisch und sexistisch. Ihre gedankliche Welt besteht aus fragwürdig konstruierten religiösen Dogmen, die die Islamisten per “göttlicher Ableitung” gegen jedwede Kritik immunisieren. Da die aiz an dieser Politik Gefallen findet, dürfte es wohl kaum möglich sein, sie weiter im Bereich der Linken zu orten. Die deutliche Bezugnahme auf die Politik der Islamisten demaskiert die rudimentären “Emanzipationsvorstellungen” der aiz als hohles Gewäsch. Die Ankündigung der aiz, daß sie in Zukunft ihre Aktivitäten verstärkt in den Zshg. mit dem islamistischen Widerstand stellen wird, muß Anlaß zu schlimmsten Befürchtungen geben. Der eigentliche Kern dieser Politik läßt sich präzise mit einem Begriff zum Ausdruck bringen:

Terror.

Zu einer Gruppe, die den Einsatz von selbstgebauten Splitterbomben auf belebten Plätzen gutheißt, darf es kein solidarisches Verhältnis geben.

März 1996